Leitsatz (amtlich)

Wenn ersichtlich ist, dass der Kläger auf eine mündliche Verhandlung nicht verzichten will, darf das FG zwar einen Gerichtsbescheid erlassen. Es darf dem Kläger aber nicht durch die Zulassung der Revision in dem Gerichtsbescheid die Möglichkeit nehmen, sein Klagebegehren in einer mündlichen Verhandlung weiter zu erläutern.

 

Sachverhalt

Das FG wies die Klage der Klägerin, einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, ab[1]. Mit der Revision rügt die Klägerin u.a. die Verletzung von Verfahrensrecht. Das FG habe den Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt, weil es keine Beweisaufnahme durchgeführt habe, um zu ermitteln, ob Wettbewerb mit frei praktizierenden Tierärzten bestanden habe. Es habe überdies das rechtliche Gehör verletzt, weil es durch Gerichtsbescheid entschieden und die Revision zugelassen habe. Dadurch sei der Antrag auf mündliche Verhandlung nicht zulässig gewesen. Der Fall sei aber wegen der nicht geklärten und zwischen den Beteiligten streitigen Wettbewerbssituation nicht für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid geeignet gewesen. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Vorentscheidung verletzt § 90a Abs. 1 FGO und dadurch das rechtliche Gehör der Klägerin, weil das FG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid mit Revisionszulassung entschieden hat und der Klägerin dadurch die Möglichkeit abgeschnitten hat, ihr Klagebegehren in einer mündlichen Verhandlung vor dem FG weiter zu erläutern.

Das FG kann "in geeigneten Fällen" ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden[2]. Gegen den Gerichtsbescheid kann ein Beteiligter den Antrag auf mündliche Verhandlung nur stellen, wenn das FG die Revision nicht zugelassen hat[3]. Hat das FG in dem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen[4], kann der Beteiligte keine mündliche Verhandlung vor dem FG beantragen, sondern nur Revision einlegen[5]. Wenn - wie im Streitfall - ersichtlich ist, dass der Beteiligte auf eine mündliche Verhandlung nicht verzichten will, darf das FG zwar einen Gerichtsbescheid erlassen, weil es zweckmäßig sein kann, die für das FG entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herauszustellen. Es darf dem Beteiligten aber nicht die Möglichkeiten, in einer mündlichen Verhandlung neue Tatsachen vorzutragen, weitere Ermittlungen anzuregen und Beweisanträge zu stellen, dadurch abschneiden, dass es in dem Gerichtsbescheid die Revision zulässt. Es liegt unter diesen Umständen "kein geeigneter Fall" vor[6], der einen solchen Gerichtsbescheid rechtfertigt. Der Streitfall eignete sich nicht für eine abschließende Entscheidung durch Gerichtsbescheid, da der Sachverhalt weitgehend unaufgeklärt ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 28.6.2000 -V R 55/98

[5] Vgl. BFH-Urteil vom 7.10.1997, VIIIR 4/96, BFH/ NV 1998, S. 1125

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?