Leitsätze (amtlich)

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. 1. Fällt unter den Begriff "Vermietung von Grundstücken" in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG die entgeltliche Überlassung eines aus Fertigteilen errichteten Gebäudes, das nach Vertragsbeendigung entfernt werden muss und auf einem anderen Grundstück wieder verwendet werden kann?
  2. 2. Ist insoweit von Bedeutung, ob der Vermieter dem Mieter das Grundstück und das Gebäude oder nur das Gebäude über-lässt, das er auf dem Grundstück des Mieters errichtet hat?
 

Sachverhalt

Der Kläger vermietete dem F sog. Gemeinschaftsunterkünfte "mit Umgriff" zur vorläufigen Unterbringung von Asylbewerbern. Als Vertragsdauer waren jeweils mindestens fünf Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit vereinbart. Einige der Gemeinschaftsunterkünfte befanden sich auf einem Grundstück, das der Kläger von der Stadt B gemietet hatte, andere auf Grundstücken, die F von der Stadt B gemietet hatte. In beiden Fällen waren die Grundstücke nach Ende des Mietverhältnisses mit dem Kläger vollständig geräumt zurückzugeben. Der Kläger hatte die Gemeinschaftsunterkünfte auf diesen Grundstücken als ein- und zweistöckige Gebäude - Fertighäusern vergleichbar -aus vorgefertigten Teilen errichtet. Die Gebäude standen auf Sockeln aus Beton, die auf einem in das Erdreich eingelassenen Betonfundament errichtet worden waren. Die Konstruktion der Gebäude ließ es zu, dass das auf das Fundament aufgesetzte Bausystem jederzeit zur Wiederverwertung demontiert werden konnte. Für die Streitjahre 1993 bis 1995 meldete der Kläger steuerfreie Umsätze durch Vermietung von Grundstücken nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. aUStG 1993 an. Das Finanzamt besteuerte die Umsätze mit dem allgemeinen Steuersatz. Das FG wies die Klage ab[1]. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Der BFH legte dem EuGH die im Tenor bezeichneten Rechtsfragen zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vor.

 

Entscheidungsgründe

  1. 1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist der Begriff "Grundstück" in § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG bürgerlich-rechtlich zu verstehen[2]. Die Vermietung von sog. Scheinbestandteilen ist keine Grundstücksvermietung i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG[3]. Das FG hat für den BFH bindend festgestellt, dass die vom Kläger vermieteten Gebäude nur für vorübergehende Zwecke errichtet worden sind. Ihre Vermietung wäre danach keine Grundstücksvermietung und nicht nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei.
  2. 2. Der Begriff der Vermietung eines Grundstücks in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist ein eigenständiger Begriff des Gemeinschaftsrechts. Selbst wenn diese Vorschrift den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Steuerbefreiung oder der Besteuerung ein weites Ermessen einräumt, kann die Auslegung des Grundstücksbegriffs nicht von dem Zivilrecht eines Mitgliedstaats abhängen. Nur so kann gewährleistet sein, dass die genannte Richtlinienbestimmung in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH schließt der Begriff "Vermietung von Grundstücken" die Vermietung von Gebäuden ein[4]. Die Vermietung von Zelten, Mobilheimen und Wohnanhängern erfüllt die Voraussetzungen jedoch nicht[5], weil die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ausschließlich der Vermietung von "Grundstücken" vorbehalten ist.
  3. Danach sind die rechtlichen Voraussetzungen, die für die Annahme einer Vermietung von "Grundstücken" gegeben sein müssen, noch nicht geklärt. Es erscheint dem Senat nicht ausgeschlossen, dass die in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie verwendeten Begriffe "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" nach dem Wortsinn eine unbewegliche, fest mit dem Grund und Boden verbundene Sache bezeichnen und diese von beweglichen Sachen abgrenzen. Für vorübergehende Zwecke errichtete Gebäude wären dann als Vermietung von Grundstücken zu beurteilen, weil die Vorschrift eine bestimmte Dauer der Verbindung mit dem Grundstück nicht voraussetzt. Falls die in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie bezeichnete Vermietung eines Grundstücks auch die Vermietung eines nur für vorübergehende Zwecke, aber fest mit dem Boden verbundenen, errichteten Wohngebäudes einschließt, ist klärungsbedürftig, ob dies auch dann gilt, wenn der Vermieter nur das Wohngebäude vermietet, aber nicht den Grund und Boden, auf dem das Wohngebäude errichtet worden ist. Bei der Vermietung der Gemeinschaftsunterkunft zur vorläufigen Unterbringung von Asylbewerbern auf einem Grundstück der Stadt B hatte der Mieter F dieses Grundstück gemietet und dem Kläger lediglich gestattet, das Gebäude darauf zu errichten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich deswegen die Vermietung nicht mehr auf ein Grundstück bezieht.
 

Link zur Entscheidung

BFH vom 25.5.2000 - V R 48/99

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