Leitsatz (amtlich)

Übertragen Eltern einem Kind einen Vermögensgegenstand (hier: Erbanteil) gegen auf ihre Lebenszeit wiederkehrende Leistungen, die jedenfalls für eine bestimmte Mindestdauer zu zahlen sind (sog. Mindestzeitrente oder verlängerte Leibrente), handelt es sich auch dann nicht um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, sondern um ein entgeltliches Veräußerungs-/Anschaffungsgeschäft, wenn die Mindestlaufzeit der wiederkehrenden Leistungen kürzer ist als die voraussichtliche durchschnittliche Lebenserwartung der bezugsberechtigten Person (Fortführung der Senatsurteile vom 31.8.1994, X R 44/93, BStBl II1996, S. 676 = INF 1995, S. 284, und X R 58/92, BStBl II 1996, S. 672 = INF 1995, S. 283).

 

Sachverhalt

Mit notariellem Vertrag vom 10.5.1984 übertrug die damals knapp 65 Jahre alte Mutter des Klägers, Frau K, diesem im Wege der Schenkung ihren Erbteil am Nachlass des K.E. Der Kläger verpflichtete sich gegenüber seiner Mutter zur Zahlung einer wertgesicherten lebenslänglichen monatlich vorauszahlbaren Rente von 1 100 DM, mindestens zahlbar bis zum 30.9.1994. Nach dem Ableben von Frau K sollte der Rentenbetrag je hälftig an den Bruder und die Schwester des Klägers gezahlt werden, ersatzweise an deren Abkömmlinge. Zudem verzichtete der Kläger auf seinen künftigen Erbteils- und Pflichtteilsanspruch nach seiner Mutter. Das Finanzamt hatte in den Vorjahren und auch im Streitjahr 1990 antragsgemäß die wiederkehrenden Zahlungen mit ihrem Ertragsanteil als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1aEStG anerkannt. Mit dem Einspruch gegen den ESt-Bescheid 1990 beantragte der Kläger den Abzug der Aufwendungen als dauernde Last. Der Einspruch, die Klage[1] und Revision des Klägers blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG sind Sonderausgaben die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Dieser Sonderausgabenabzug setzt grundsätzlich voraus, dass Versorgungsleistungen auf die Lebenszeit des Beziehers gezahlt werden. Hingegen sind die auf eine fest bestimmte Zeit zu zahlenden wiederkehrenden Leistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes gezahlt werden, nicht als Rente oder dauernde Last abziehbar, sondern nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über entgeltliche Rechtsgeschäfte zu behandeln. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zahlungen zwar für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson, in jedem Fall aber für eine Mindestlaufdauer zu erbringen sind (sog. verlängerte Leibrente oder Mindestzeitrente). Auch eine sog. Mindestzeitrente, wie sie im Streitfall vorliegt, ist nach den Grundsätzen über entgeltliche Gegenleistungsrenten zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die vereinbarte Mindestzeit die statistisch wahrscheinliche Lebenserwartung der Bezugsberechtigten unterschreitet.

Beim Vertragstypus "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" handelt es sich "um eine besondere Art von Versorgungsleistungen", die durch die Übergabe des Vermögens notwendig geworden sind, ohne dass deshalb ein steuerrechtlich entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt[2]. Ein durch eine andere Interessenlage geprägter Vertragstypus liegt vor, wenn wiederkehrende Leistungen, die grundsätzlich auf die Lebenszeit einer Person gezahlt werden, jedenfalls eine Mindestzeitdauer haben. Ist es übereinstimmender Wille der Vertragschließenden, dass die Zahlungen im Falle eines vorzeitigen Ablebens der zunächst bezugsberechtigten Person an die Erben zu erbringen sind, handelt es sich insoweit jedenfalls nicht ausschließlich um Versorgungsleistungen, sondern zivilrechtlich und wirtschaftlich um einen wertmäßigen Ausgleich für eine empfangene Leistung. Ein solcher Vertrag wird insgesamt - auch hinsichtlich des Zeitabschnitts nach Erreichen der Mindestlaufzeit - geprägt durch seine Funktion, eine Gleichstellung von (künftigen) Miterben zu gewährleisten. Gleichstellungsgelder führen zu Anschaffungskosten[3].

Bei dieser Beurteilung ist es grundsätzlich unerheblich, in welchem Verhältnis die Mindestlaufzeit zur voraussichtlichen Lebenserwartung der Bezugsberechtigten steht[4]. Eine Gegenleistungsrente ist auch dann anzunehmen, wenn die Mindestlaufzeit deutlich kürzer ist als die durchschnittliche Lebenserwartung der bezugsberechtigten Person. Kommt eine Zuordnung zum Rechtsinstitut der "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" nicht in Betracht, gelten die allgemeinen für (teil-)entgeltliche Rechtsgeschäfte geltenden Grundsätze. Außerhalb des Sonderrechts der Vermögensübergabe führt eine Verpflichtung zu

wiederkehrenden Leistungen grundsätzlich - unabhängig davon, ob diese als gleichbleibend oder abänderbar vereinbart sind - mit ihrem Barwert zu Anschaffungskosten i.S. von § 7 EStG; der in den einzelnen Zahlungen enthaltene Zinsanteil ist - ebenso wie die Anschaffungskosten - nur zu berücksichtigen, wenn e...

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