Leitsatz

Bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist die Höhe der als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbaren Versorgungsleistungen durch die nach der Prognose im Zeitpunkt der Übergabe erzielbaren Nettoerträge begrenzt. Einigen sich die Vertragsbeteiligten auf ein in Anbetracht des gestiegenen Versorgungsbedürfnisses – hier: wegen Umzugs des Versorgungsberechtigten in ein Pflegeheim – neues Versorgungskonzept, sind Zahlungen, die ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aus dem Ertrag des übergebenen Vermögens erbracht werden können, freiwillige Leistungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG.

Die Abänderbarkeit einer dauernden Last ist in zivilrechtlicher Hinsicht bezogen auf die Versorgungsbedürftigkeit des Empfängers und die sich aus dem übertragenen Wirtschaftsgut ergebende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Diese bestimmen den Korridor, innerhalb dessen die Beteiligten mit steuerlicher Wirkung auf eine Änderung des Bedarfs des Berechtigten und/oder der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten reagieren können.

 

Sachverhalt

Eheleute machten für 1994 bis 1997 wiederkehrende Leistungen des Ehemanns an seine Schwiegermutter M als Sonderausgaben geltend, und zwar 6000 DM für 1994, 7200 DM für 1995, 41809 DM für 1996 und 19725 DM für 1997. Der Schwiegersohn hatte M im Jahr 1978 den Nießbrauch an einer ihm gehörenden vermieteten Eigentumswohnung eingeräumt. Im Juni 1984 verzichtete M auf diesen Nießbrauch gegen Zahlung einer lebenslänglichen, gemäß § 323 ZPO abänderbaren monatlichen "Rente" von 500 DM. Seit Oktober 1995 wird M in einem Altenpflegeheim betreut. Das Finanzamt versagte den Abzug der wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben. Das FG bestätigte die Verwaltungsentscheidung. Die Revision hatte Erfolg. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidung

Beim Verzicht der M auf den Nießbrauch handelte es sich um die Übertragung einer i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG begünstigten Wirtschaftseinheit. Dem steht nicht der Gesichtspunkt entgegen, dass der Schwiegersohn der M den Nießbrauch rd. 5½ Jahre vor dem Verzicht zugewendet hatte. Gegenteiliges könnte nur dann gelten, wenn sich ein Anhalt dafür ergäbe, dass die Zuwendung des Nießbrauchs und der spätere Verzicht auf den Nießbrauch im Sinne eines von vorneherein bestehenden Gesamtplans miteinander verknüpft gewesen wären. Dies trifft hier nicht zu.

Steuerlich sind die Versorgungsleistungen der Höhe nach begrenzt auf die aus dem übertragenen Wirtschaftsgut erzielbaren Erträge. Dies folgt bereits aus der Erwägung, dass die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last bzw. wiederkehrende Bezüge auf der normleitenden Vorstellung beruht, der Übergeber übertrage das Vermögen – vergleichbar dem Vorbehaltsnießbrauch – ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nun als Versorgungsleistungen zufließen.

Nach Eintritt der M in das Altenpflegeheim ist die bisherige Prognose darüber, ob die erzielbaren Nettoerträge aus dem übergebenen Vermögen die voraussichtlichen dauernden Lasten abdecken, überholt. Es ist deshalb zu diesem Zeitpunkt – was das FG unterlassen hat – eine neue Prognose zu stellen. Ergibt diese – was nach Lage des Falls nahe liegt –, dass die fortan an M geleisteten Zahlungen nicht mehr in vollem Umfang aus den erzielbaren Nettoerträgen bestritten werden konnten, so sind die erbrachten Leistungen nur insoweit als dauernde Last abziehbar, als sie durch die erzielbaren Nettoerträge abgedeckt wurden. Die übersteigenden Beträge stellten Zuwendungen i.S. des § 12 EStG dar, die allenfalls nach § 33 und § 33a Abs. 1 EStG unter den dort statuierten und im Streitfall nicht vorliegenden Voraussetzungen abgezogen werden können.

 

Praxishinweis

Soweit die Eheleute die Ansicht vertraten, dass auch die 1996 und 1997 an M erbrachten, durch deren Eintritt in das Pflegeheim sprunghaft gestiegenen wiederkehrenden Leistungen unbegrenzt als dauernde Last i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abgezogen werden könnten, hat dem der BFH – m.E. zu Recht – widersprochen. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob M auf der Grundlage des Vermögensübergabevertrags beanspruchen konnte, dass der Schwiegersohn ihr die gesamten Heimunterbringungskosten, abzüglich der ihr zur Verfügung stehenden eigenen Einkünfte, erstattete. Denn im Rahmen der nach § 323 ZPO bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse gebotenen Neufestlegung der wiederkehrenden Bezüge ist nicht allein auf die Bedürftigkeit des Berechtigten, sondern auch auf die – m.E. durch die Erträgnisse des übergebenen Vermögens oder jedenfalls durch dessen Wert begrenzte – Leistungsfähigkeit des Vermögensübernehmers abzustellen. Jedenfalls steuerrechtlich bildet – dem Leitbild des Vorbehaltsnießbrauchs entsprechend – die Höhe der aus dem übergebenen Vermögen erzielbaren Nettoerträge die Grenze, oberhalb derer die wiederkehrenden Leistungen nicht mehr als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 13.12.2005, X R 6...

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?