Leitsatz
- Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
- Die Verschaffung von Versicherungsschutz durch einen Gebrauchtwagenverkäufer ist keine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung; sie ist eine eigenständige, nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie Leistung.
Sachverhalt
Ein Kfz-Händler mit Werkstatt bot in den Streitjahren 1991 bis 1995 beim Verkauf von Gebrauchtwagen den Käufern eine Garantie für bestimmte Bauteile an, wobei die CG-Car-Garantie-AG (CG) Versicherungsschutz gewährte. Der Händler hielt die dafür von den Kfz-Käufern gezahlten Beträge für Entgelt für eine steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz. Finanzamt und FG beurteilten sie dagegen als Entgelt für die steuerpflichtigen Kfz-Lieferungen (unselbständige Nebenleistung).
Entscheidung
Der BFH bestätigte dem Händler, dass er seinen Kunden Versicherungsschutz umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG verschafft hatte.Denn nach den Vertragsbedingungenwar er Versicherungsnehmer, der zugunsten der Kunden den Versicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Die Kunden konnten die aus dem Versicherungsvertrag resultierenden Ansprüche auf Schadensregulierung unmittelbar gegenüber der CG geltend machen.
Die Verschaffung des Versicherungsschutzes ist auch keine unselbständige Nebenleistung zur Veräußerung der Gebrauchtwagen; denn sie hat neben der Fahrzeuglieferung den (eigenen) Zweck, ähnlich wie eine Kaskoversicherung das erworbene Fahrzeug gegen Schäden zu versichern. Dem entspricht auch die Sicht des Durchschnittsverbrauchers, auf die es insoweit nach der EuGH-Rechtsprechung ankommt. Für ihn macht es einen Unterschied, ob er lediglich einen Gebrauchtwagen kauft und dabei allenfalls Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Gebrauchtwagenverkäufer erhält oder ob er zusätzlich zum Kaufpreis noch eine Zahlung für den Erwerb von Versicherungsansprüchen gegenüber einem Versicherer leistet.
Überdies würde die Einbeziehung in die (besteuerte) Kfz-Lieferung dem Zweck der Steuerbefreiung entgegenstehen und zur doppelten Belastung der Kunden mit Versicherungssteuer und Umsatzsteuer führen. Denn die vom Händler für die Verschaffung des Versicherungsschutzes erhaltenen Entgelte umfassten die Versicherungsprämie und die darin enthaltene Versicherungssteuer.
Praxishinweis
Die Beurteilung dieser Fallgestaltungen hängt – wie das Besprechungsurteil zeigt – von den vereinbarten Leistungsbeziehungen ab. Es geht nicht an, auch dann eine Absicherung des Verkäufers selbst gegen das Risiko, für die verkauften Gegenstände Gewähr leisten zu müssen, anzunehmen, wenn die Ansprüche – wie hier – den Käufern zustehen (wie die Finanzverwaltung meinte). Allerdings ist die Verwendung des Begriffs "Garantie" hier irreführend, weil die Versicherung insoweit die Einstandspflicht des Gebrauchtwagenhändlers vollständig ersetzte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.10.2002, V R 67/01