Zitat
(1) Die Vertretungsorgane der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger schließen einen Verschmelzungsvertrag. § 311b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt für ihn nicht.
(2) Soll der Vertrag nach einem der nach § 13 erforderlichen Beschlüsse geschlossen werden, so ist vor diesem Beschluss ein schriftlicher Entwurf des Vertrags aufzustellen.
1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Der Verschmelzungsvertrag bildet die Grundlage der Verschmelzung. Seine Bedeutung liegt nicht nur in der verbindlichen Festlegung der gesetzlichen Vorgaben, sondern auch in der Gestaltung der Strukturierung der an der Verschmelzung beteiligten Genossenschaften. Durch die formalen Erfordernisse seiner Kenntnisnahme (Auslegung vor Versammlung, Verlesen in der Versammlung § 83 Abs. 1 Satz 1 RN 1 ff.) wird gewährleistet, dass sich das Mitglied, das über die Verschmelzung entscheiden soll, mit den einzelnen Inhalten des Vertrags befassen und die Konsequenzen des Vertragsabschlusses über den Mehrheitsentscheid nach § 13 mit beeinflussen kann. § 4 Abs. 2 Satz 1 trägt der Entscheidungsfindung Rechnung. Hierzu gehören auch die Konsequenzen der Vermögensübertragung für das Mitglied, welche allerdings nur sehr eingeschränkt beeinflussbar sind (siehe § 5 RN 1 ff.). Der Übergang des Vermögens der übertragenden Genossenschaft wird hierbei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gegen Gewährung von Geschäftsanteilen der übernehmenden Genossenschaft an die Mitglieder realisiert. § 4 Abs. 2 Satz 2 ermöglicht dies durch die Aufhebung des Verbotes, eine Verpflichtung einzugehen, künftiges Vermögen zu übertragen (§ 311b Abs. 2 BGB).
Rz. 2
Die Rechtsnatur des Verschmelzungsvertrags ist umstritten. Die Einordnung erfolgt je nach Literaturmeinung als Austauschvertrag, Vertrag zugunsten Dritter, gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag oder auch als dinglicher Vertrag (Mayer in Widmann/Mayer § 4 UmwG RN 21; Heckschen S. 14; Schröer in Semler/Stengel § 4 UmwG RN 4; Drygala in Lutter, § 4 UmwG RN 7). Die Einstufung als Organisationsvertrag, auf den grundsätzlich die Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung finden, der aber unter Berücksichtigung der Generalversammlungsbeschlüsse als Wirksamkeitsvoraussetzung diese nur beschränkt zur Anwendung kommen lässt (so Holthaus/Lehnhoff in Lang/Weidmüller § 5 RN 5 m. w. N.), wird dabei allen Aspekten der facettenreichen Rechtsnatur des Vertrags am ehesten gerecht.
2 Abschluss des Verschmelzungsvertrags
Rz. 3
Der Vertrag wird zwischen der übertragenden und der übernehmenden Genossenschaft geschlossen. Eine Vertretung erfolgt durch den Vorstand gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 bzw. entsprechend der Satzungsregelung.
Rz. 4
Ist durch die Satzung eine Vertretung eines Vorstandsmitglieds in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zugelassen (so § 22 Abs. 2 der Mustersatzung), so können diese die Genossenschaft wirksam vertreten. Allerdings darf die Satzungsregelung nicht dazu führen, dass die Vertretung der Genossenschaft ohne die Mitwirkung eines Prokuristen unmöglich wird. Die Möglichkeit, dass die Genossenschaft nur durch die Vorstandsmitglieder vertreten wird, muss immer bestehen (§§ 25, 26, 27 Abs. 2 RN 2 ff.; Holthaus/Lehnhoff in Lang/Weidmüller § 25 RN 8). Somit können in diesen Fällen auch zwei Vorstandsmitglieder die Genossenschaft wirksam vertreten.
Rz. 5
Eine Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats bezüglich des Vertragsabschlusses scheidet aus. § 39 GenG regelt die Vertretung der Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern vor allem unter der Wahrung des Normziels, Interessenkonflikte bei Rechtsgeschäften zu vermeiden (BGH v. 26.06.1995 II ZR 122/94). Wie weit dabei die Vertretungsbefugnis geht, ist umstritten (siehe dazu § 39 RN 2). Die Möglichkeit einer Interessenkollision eines Vorstandsmitglieds im Zusammenhang mit einer Verschmelzung ergibt sich zunächst aus dessen Mitgliedschaftsverhältnis zur Genossenschaft. Hierbei wird die Ansicht vertreten, dass sämtliche Rechtsgeschäfte, die in Berührung zur mitgliedschaftlichen Förderbeziehung eines Vorstandsmitglieds als Mitglied der Genossenschaft stehen (so Bauer § 39 RN 15; Holthaus/Lehnhoff in Lang/Weidmüller § 39 RN 14 ff.), von der Anwendung des § 39 GenG ausgenommen seien und dieser sich nur auf außerhalb dieser mitgliedschaftlichen Beziehung stehende Rechtsgeschäfte beschränke. Somit würde bereits aus dem Grund, dass das Vorstandsmitglied als Mitglied der genossenschaftlichen Gemeinschaft in den Verschmelzungsvorgang involviert ist, § 39 GenG keine Anwendung finden und die Vertretung durch den Vorstand zulässig sein. Doch auch ungeachtet dessen ist die Vertretung durch den Aufsichtsrat nach § 39 GenG nicht einschlägig. Die Notwendigkeit der Vermeidung eines Interessenkonflikts des Vorstandsmitglieds, der die Vertretung durch den Aufsichtsrat erforderlich macht, liegt nicht vor. Zur Vermeidung sind durch die gesetzgeberischen Inhalte ausreichend Korrektive vorhanden, die für Transparenz und ggf. für eine Änderung vertraglicher Gestaltungen sorgen können, ohne dass es einer Verlagerung der Zuständigkeit in den Aufsichtsrat bedarf. ...