Leitsatz
Die Zahlung einer in einem Ausbildungsverhältnis begründeten Vertragsstrafe kann zu Erwerbsaufwendungen (Werbungskosten oder Betriebsausgaben) führen.
Sachverhalt
Ein bis Ende 1995 im öffentlichen Gesundheitsdienst angestellter Arzt war danach als Chirurg selbständig tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte er eine gezahlte Vertragsstrafe in Höhe von 100000 DM zuzüglich 4567 DM Finanzierungsaufwendungen als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt zunächst gar nicht, im Einspruchsverfahren lediglich mit einem Teilbetrag von 1800 DM gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Ausbildungskosten berücksichtigte. Die Vertragsstrafe war zu entrichten, weil die für die Übernahme der Ausbildungskosten eingegangene zehnjährige Dienstverpflichtung nicht eingehalten wurde. Auf die Klage erkannte das FG Werbungskosten nur zu einem Siebtel an und wies die Klage im Übrigen ab. Die Revision des Arztes hatte beim BFH in vollem Umfang Erfolg.
Entscheidung
Der BFH ließ offen, ob die Zahlungen wirtschaftlich vorrangig der im bisherigen Dienstverhältnis eingegangenen Vertragsstrafenbindung oder der angestrebten selbständigen Tätigkeit zuzuordnen sind, weil sie in beiden Fällen beruflich veranlasst sind, also nachträgliche Werbungskosten oder vorab entstandene Betriebsausgaben darstellen. Die von Finanzamt und -gericht in den Vordergrund gerückte Betrachtung, vom Arbeitgeber vorfinanzierte Ausbildungskosten würden jetzt vom Arbeitnehmer selbst getragen, ist nicht entscheidungserheblich, da ein möglicher Sonderausgabenabzug die vorrangige Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen nicht verdrängt.
Praxishinweis
Stehen Ausgaben in mehreren Veranlassungszusammenhängen, ist der wirtschaftlich vorrangige maßgebend. Auslösendes Moment ist hier das Bestreben, als selbständiger Chirurg höhere Einnahmen zu erzielen. Ebenso wie auf der Einnahmenseite kommt es nicht auf den Rechtsgrund der Zahlung, sondern den mit ihr verfolgten Zweck an, also nicht darauf, warum, sondern darauf, wofür gezahlt wird. Dies zeigt auch der wirtschaftlich vergleichbare Fall, dass keine Vertragsstrafe vereinbart, der Arbeitnehmer aber durch Vertragslaufzeiten oder Kündigungsfristen gebunden ist. Lässt sich der Arbeitgeber die Freigabe durch eine Ablösezahlung abkaufen, ist diese zwar wegen der vertraglichen Bindung erforderlich; Zweck der Zahlung ist aber die künftig angestrebte Tätigkeit. Bei dieser Betrachtung stellt sich die Sonderausgabenproblematik nicht. Dies kann für die derzeitige Rechtslage von Bedeutung sein, weil nach § 12 Nr. 5 EStG bestimmte Berufsausbildungskosten vom Abzug als Erwerbsaufwendungen ausgeschlossen sind.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 22.6.2006, VI R 5/03