Leitsatz
- § 15 UStG 1993 schützt nicht den guten Glauben an die Erfüllung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug.
- Liegen die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vor, kommt unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) in Betracht.
- Macht der Steuerpflichtige im Festsetzungsverfahren geltend, ihm sei der Vorsteuerabzug trotz Nichtvorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu gewähren, ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme grundsätzlich nach § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden.
Sachverhalt
Streitig war der Vorsteuerabzug aus Rechnungen des W von Anfang 1998. Der Geschäftssitz des W existierte seit Ende 1997 nicht mehr. Das FG gab der Klage nach erfolglosem Einspruch statt.
Entscheidung
Der BFH verwies den Kläger auf das Billigkeitsverfahren und betonte, dass das in § 163 AO eingeräumte Ermessen des Finanzamts auf Null reduziert und deshalb vom Gericht uneingeschränkt überprüfbar ist. Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ist mit der Steuerfestsetzung zu verbinden.
Hinweis
Eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Die Angaben in der Rechnung müssen eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers zulassen. Die erfordert die Angabe der zutreffenden Anschrift. Die Angabe einer nicht mehr existierenden Anschrift genügt ebenso wenig wie die mögliche Ermittlung der richtigen Anschrift. § 15 UStG sieht keinen Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen vor. Der Vorsteuerabzug ist selbst dann zu verweigern, wenn die Voraussetzungen zwar vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige von der Einbeziehung in eine Umsatzsteuerhinterziehung wusste oder hätte wissen müssen.
Die Mitgliedstaaten müssen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachten. Zu berücksichtigen ist nicht nur das schutzwürdige Vertrauen in das Verhalten des Finanzamts, sondern auch in das Verhalten eines Vertragspartners des Steuerpflichtigen, wenn dieser die erforderliche Sorgfalt beachtet hat.
Das Gemeinschaftsrecht regelt das Verwaltungsverfahren nicht; dies obliegt den Mitgliedstaaten. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann wegen eines vom Finanzamt gesetzten Vertrauenstatbestands rechtsbegrenzend zu berücksichtigen sein. Vertrauensschutz aufgrund eines nicht am Steuerrechtsverhältnis beteiligten Vertragspartners des Steuerpflichtigen wegen besonderer Verhältnisse des Einzelfalls kann mangels gesetzlicher Regelung nicht bei der Steuerfestsetzung, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß der §§ 163, 227 AO gewährt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, 30.04.2009, V R 15/07.