1 Leitsätze
- Die AG wird im Rechtsstreit mit dem Vorstand durch den Aufsichtsrat als Gremium vertreten. Der Aufsichtsrat bildet seinen Willen dadurch, dass er einen Beschluss fasst. An Stelle des Gremiums kann nicht ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied oder der Aufsichtsratsvorsitzende entscheiden.
- Wenn der Aufsichtsratsvorsitzende im Rechtsstreit mit dem Vorstand eine Prozessvollmacht erteilt, ohne zuvor die Einwilligung des Aufsichtsrats eingeholt zu haben, kann der Aufsichtsrat diese Handlung und die bisherige Prozessführung durch Mehrheitsbeschluss aber (nachträglich) genehmigen.
2 Sachverhalt
Die Beklagte des Rechtsstreits war ein Unternehmen der Bauwirtschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG). Die Anteile an der Beklagten wurden mittelbar über eine Holding von den beiden Firmengründern E. H. und B. H., zwei Brüdern, gehalten. Zwischen den Brüdern bzw. den Familienstämmen gab es erhebliche Spannungen. Die Kläger waren wirksam zu Mitgliedern des Vorstands der Beklagten bestellt worden.
Am 26.10.2009 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats der Beklagten statt. Tagesordnungspunkt war u.a. die Abberufung der Kläger als Vorstandsmitglieder. Den Klägern wurde vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Erweiterung des Geschäftsfelds der Beklagten den dortigen Bauminister bestochen zu haben. Von den 6 Mitgliedern des Aufsichtsrats waren 3 auf den Vorschlag von E. H. und 3 auf den Vorschlag von B. H. bestellt worden. Der Aufsichtsrat stimmte mit 3 : 3 Stimmen ab. Die dem Stamm B. H. zuzuordnenden Aufsichtsratsmitglieder verneinten das Vorliegen eines wichtigen Grunds und lehnten die Abberufung der Kläger als Vorstandsmitglieder ab.
Gemäß der Satzung der Beklagten führt Stimmengleichheit bei der Abstimmung im Aufsichtsrat zur Ablehnung eines Beschlussantrags. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende war der Ansicht, die 3 gegen eine Abberufung stimmenden Aufsichtsratsmitglieder hätten ihr Stimmrecht missbräuchlich ausgeübt, sodass ihre Stimmen bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht zu berücksichtigen seien; damit sei die Abberufung der Kläger als Vorstandsmitglieder der Beklagten beschlossen. Dementsprechend stellte der Aufsichtsratsvorsitzende die Abberufung der Kläger durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 26.10.2009 fest. Die beiden abberufenen Vorstandsmitglieder hatten mit ihrer am 2.12.2009 gegen die Beklagte, vertreten durch den Aufsichtsrat, erhobenen Klage die Feststellung beantragt, dass ein Abberufungsbeschluss in der Aufsichtsratssitzung am 26.10.2009 nicht ergangen, hilfsweise, dass er nichtig oder für ungültig zu erklären ist. Weiter hatten sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem unwirksamen Widerruf ihrer Vorstandsämter entstanden ist und noch entsteht.
In einem weiteren Verfahren hatten die Kläger mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, der Beklagten zu untersagen, den Widerruf ihrer Bestellung als Vorstandsmitglieder festzustellen oder zu vollziehen und sie daran zu hindern oder zu stören, ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglieder nachzukommen. Das LG Frankenthal (Pfalz) erließ die einstweilige Verfügung.
Am 19.6.2010 stimmte der Aufsichtsrat der Beklagten über den Antrag des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden ab, "die Prozessführung vor dem LG Frankenthal (Pfalz) und dem OLG Zweibrücken zu genehmigen". Anlass hierfür war, dass die für die Beklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren sowie in dem über die Klage gegen die Abberufung der Kläger anhängigen Verfahren auftretenden Rechtsanwälte lediglich von dem Aufsichtsratsvorsitzenden bevollmächtigt worden waren. 3 Aufsichtsräte stimmten für den Antrag, die 3 Aufsichtsratsmitglieder aus dem Lager B. H. stimmten auch diesmal dagegen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken verwarf die Berufung der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren als unzulässig, weil die Beklagte nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei.
Das Landgericht (LG) Frankenthal (Pfalz) stellte auf die Klage gegen die Abberufung der Kläger antragsgemäß fest, dass in der Aufsichtsratssitzung vom 26.10.2009 ein Beschluss, die Kläger aus wichtigem Grund abzuberufen, nicht ergangen und die Beklagte verpflichtet sei, den Klägern einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem unwirksamen Widerruf ihrer Vorstandsämter entstanden sei und noch entstehen werde.
Die Beklagte legte gegen das landgerichtliche Urteil Berufung beim OLG Zweibrücken ein.
Das Berufungsgericht verwarf auch diese Berufung der Beklagten als unzulässig, weil die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Einlegung des Rechtsmittels nicht wirksam – da nur durch den Aufsichtsratsvorsitzenden – bevollmächtigt gewesen seien. Der Antrag auf Genehmigung der Prozessführung sei abgelehnt worden. Es sei auch nicht so, dass die ablehnende Stimme des Aufsichtsratsmitglieds B. H. nicht zähle, weil dessen Wahl in den Aufsichtsrat nichtig gewesen sei. Träfe dies zu, wäre lediglich der die Genehmigung ablehnende Beschluss nichtig, damit stünde aber nicht ...