Leitsatz
Der Verwalter ist befugt, für die beklagten Wohnungseigentümer einer Anfechtungsklage Berufung einzulegen.
Normenkette
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 2, § 46 Abs. 1
Das Problem
Für die in erster Instanz unterlegenen Wohnungseigentümer legt der Verwalter die Berufung ein. Streitig ist, ob der Verwalter dazu befugt ist. In der Sache geht es dann noch um die Frage, wer verpflichtet ist, den Estrich zu erhalten. In der Gemeinschaftsordnung heißt es dazu u.a. wie folgt:
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Für folgende Teile des Gemeinschaftseigentums ist der Sondereigentümer alleine unterhalts- und gegebenenfalls erneuerungspflichtig: ... d) Schwimmender Estrich bzw. Estrich in allen Räumen und Flächen des Sondereigentums bzw. allen Räumen oder Freiflächen in denen der Eigentümer ein Sondernutzungsrecht hat; … |
Die Entscheidung
Einlegung der Berufung
Die Einlegung der Berufung durch den Verwalter sei nicht zu beanstanden.
- Wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden habe, könne der Verwalter nach Erhebung einer Anfechtungsklage die beklagten Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG im Außenverhältnis umfassend vertreten und einen Rechtsanwalt beauftragen. Dabei habe der BGH ausdrücklich darauf abgestellt, dass § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG eine uneingeschränkte Vertretungsmacht des Verwalters geschaffen habe, wofür insbesondere im Außenverhältnis ein praktisches Bedürfnis bestehe, da die Reichweite der prozessualen Vertretungsbefugnis aus Gründen der Rechtssicherheit klar umrissen sein müsse und nicht von unbestimmten Rechtsbegriffen abhängen dürfe (Hinweis auf BGH, Urteil v. 5.7.2013, V ZR 241/1, NJW 2013 S. 3098).
- Hieraus folge "zwingend", dass der Verwalter nicht nur einen Rechtsanwalt beauftragen, sondern diesem auch Prozessvollmacht erteilen dürfe. Diese umfasse nach § 81 ZPO sämtliche Prozesshandlungen in allen Instanzen, also insbesondere auch eine Berufungseinlegung. Dies entspreche mittlerweile auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur (Hinweis u.a. auf Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, § 27 Rn. 13). Soweit in der Rechtsprechung teilweise eine andere Auffassung vertreten wird (Hinweis auf LG Düsseldorf, Urteil v. 13.4.2016, 25 S 123/14, ZMR 2016 S. 796), sei dem nicht zu folgen. Denn diese Auffassung vermische das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer (was darf ein Verwalter ohne Beschlussfassung?) und das Außenverhältnis (Reichweite der gesetzlichen Vertretungsbefugnis der Wohnungseigentümer im Beschlussanfechtungsverfahren?). Für die hier allein maßgebliche Vertretungsmacht des Verwalters ergebe sich eine derartige Beschränkung für die Vertretung lediglich in der ersten Instanz aus § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG nicht. Im Gegenteil: wenn der BGH aus dieser Norm eine umfassende Vertretungsmacht aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität im Außenverhältnis herleite, folge hieraus gerade, dass eine derartige Vertretungsmacht in allen Instanzen bestehe und nicht auf die erste Instanz beschränkt sei. Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Konzeption der Norm, wonach eine Vertretungsbefugnis ausdrücklich nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränkt sein solle, sondern sich auch auf das Vollstreckungsverfahren beziehe (Hinweis auf BT-Drucksache 16/887, S. 70).
- Praktische Erwägungen unterstützen diesen Befund. Angesichts der knappen Frist zur Berufungseinlegung, dürfte es im Regelfall für einen Verwalter unmöglich sein, gerade bei größeren Wohnungseigentumsanlagen oder in der Ferienzeit jeweils eine Versammlung durchzuführen, um vor der fristgerechten Berufungseinlegung ein Meinungsbild der Wohnungseigentümer mit einer entsprechenden Weisung zu erreichen.
Die Entscheidung in der Sache
Die Berufung sei allerdings unbegründet. Denn nach der Gemeinschaftsordnung treffe die einzelnen Wohnungseigentümer die Instandsetzungspflicht für den Estrich. Der Wortlaut der Gemeinschaftsordnung sei eindeutig. Er spreche nicht (nur) von einer Kostentragungspflicht, sondern von einer Instandsetzungspflicht. Bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch folge, dass mit einer Unterhaltungs- und Erneuerungspflicht nicht eine Kostentragungspflicht, sondern die Pflicht zur Vornahme entsprechender Maßnahmen verbunden sei.
Kommentar
- Im Mittelpunkt der Entscheidung steht für die Wohnungseigentümer die Frage, wer verpflichtet ist, den Estrich zu erhalten. Von Gesetzes wegen sind dies alle Wohnungseigentümer gemeinsam. Etwas anderes gilt nur, wenn die Pflicht durch einen Wohnungseigentümer aufgrund einer Vereinbarung übertragen worden ist. Diese Vereinbarung sieht das LG im Fall als gegeben an.
Eher Nebenfrage, aber eine wichtige Frage, ist die, ob der Verwalter namens der beklagten Wohnungseigentümer einer Anfechtungsklage Berufung einlegen kann.
Hinweis: Beschlusskompetenz
Die Gerichte streiten zurzeit, ob es eine Beschlusskompetenz gibt, auf die Verteidigung der beklagten Wohnungseigentümer im Rahmen einer Anfechtungsklage einzuwirken.
Überblick:
- AG Charlottenburg, Urteil v. 11.9.2015, 73 C 17/15 (Fall: Die Wohnungseigent...