Leitsatz
Für ein Kind, das sich in einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres befindet, besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld. Das Kind ist dabei auch nicht während der ersten vier Monate der Übergangsfrist für das Kindergeld zu berücksichtigen.
BFH-Urteil vom 15.7.2003, VIII R 78/99
HaufeIndex 1003713
Die Vier-Monats-Frist i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist nicht taggenau gemäß § 108 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. §§ 187, 188 BGB zu berechnen, sondern umfasst vier volle Kalendermonate.
BFH-Urteil vom 15.7.2003, VIII R 105/01
HaufeIndex 1003710
Sachverhalt
Im Fall VIII R 78/99 bezog ein Vater Kindergeld für seine 1979 geborene Tochter (T), die bis Ende Januar 1998 die Schule besuchte und ab August 1998 ein freiwilliges soziales Jahr leistete. Die Familienkasse hob die Festsetzung für Februar bis Juli 1998 auf, da in dieser Zeit kein Berücksichtigungstatbestand erfüllt gewesen sei. Hiergegen wandte sich der Vater mit der Begründung, als Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sei auch eine solche zwischen Ausbildung und sozialem Jahr anzusehen, gleichgültig, wie lange die Übergangszeit dauere. Dem ist weder das FG noch der BFH gefolgt.
Im Fall VIII R 105/01 war streitig, ob dem Vater einer 1974 geborenen Tochter (T) im Jahr 1996 Kindergeld zustand. T besuchte von August 1995 bis Juni 1996 eine Fachoberschule, wobei die Ausbildung am 27.6.1996 endete. Ab dem 28.6.1996 war T arbeitslos gemeldet. Am 4.11.1996 begann sie ein dreimonatiges Praktikum in einer Kindertagesstätte, das Voraussetzung für das zunächst angestrebte, später aber nicht aufgenommene Studium des Sozialwesens war. Im Jahr 1996 erhielt T für Januar bis Juni BAföG als Zuschuss (3690 DM) und für Juli bis Dezember Arbeitslosengeld (8727,30 DM). Die Familienkasse hatte aufgrund eines Antrags vom Dezember 1995 zunächst Kindergeld gewährt, hob mit Bescheid vom 3.6.1996 die Festsetzung mit Ablauf des Juni 1996 wegen Beendigung der Schulausbildung auf, zahlte aber gleichwohl bis Dezember 1996 weiter Kindergeld. Erst auf einen neuen Antrag des Vaters vom Februar 1997, Kindergeld ab Juli 1996 weiter zu gewähren, hob die Familienkasse mit Änderungsbescheid die Kindergeldfestsetzung für das gesamte Jahr 1996 auf und forderte das gezahlte Kindergeld (2400 DM) zurück. Die Klage hatte nur für die Monate Januar bis Juni 1996 Erfolg. Auf die Revision der Familienkasse wies der BFH die Klage auch für diese Monate ab.
Entscheidung
Beide Fälle betreffen die viermonatige Übergangszeit des § 32 Abs. 4 Nr. 2b EStG, die in der damaligen Gesetzesfassung zur Kindergeldberechtigung führte, wenn sie zwischen zwei Ausbildungsabschnitten lag. Nach der zwischenzeitlichen Neufassung reicht auch, wenn sie zwischen einem Ausbildungsabschnitt und einem begünstigten Dienst (Wehr- oder Zivildienst, soziales Jahr usw.) liegt.
Im Fall VIII R 78/99 ließ der BFH offen, ob die Neufassung im Wege der Auslegung bereits auf den vorhergehenden Gesetzeswortlaut anwendbar sei. Denn im Streitfall war der Zeitraum von 4 Monaten überschritten (Februar bis Juli = 6 Monate) und nach dem eindeutigen Wortlaut kam auch für die ersten vier Monate keine Begünstigung in Betracht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein Kind sich bei einer längeren Überbrückungszeit darauf einstellen und einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss. Die diesbezügliche gesetzliche Typisierung begegnet nach Ansicht des BFH keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Den Ausnahmefall, dass ein Kind nicht binnen vier Monaten eine Betätigung mit Begünstigungscharakter erreicht, habe der Gesetzgeber vernachlässigen dürfen, zumal Unterhaltsleistungen der Eltern dann durch § 33a Abs. 1 EStG entlastet werden können. Auch andere Berechtigungstatbestände waren im Fall VIII R 78/99 nicht gegeben. Während der Arbeitslosigkeit (Februar bis Juli) stand T nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Und das Bemühen um einen Platz für ein freiwilliges soziales Jahr kann nicht dem mangelnden Ausbildungsplatz gleichgestellt werden.
Im Fall VIII R 105/01 hat die vom BFH vorgenommene Berechnung der viermonatigen Übergangszeit zur Folge, dass T zwar für das ganze Jahr Berechtigungstatbestände erfüllt. Das führt aber gleichzeitig dazu, dass die Bezüge des ganzen Jahres (3690 DM BAföG + 8727,30 DM Arbeitslosengeld = 12417,30 DM ./. 360 DM Pauschbetrag = 12057,30 DM) anzurechnen sind und das Kindergeld entfällt, weil der damals geltende Jahresgrenzbetrag von 12000 DM überschritten wird. Berechtigungszeiten waren nämlich die der Ausbildung von Januar bis Juni und der Monate November und Dezember 1996, wobei der Wertung des Praktikums als Ausbildung nicht entgegensteht, dass der Ausbildungsgang, der mit dem Praktikum gefördert werden soll, später nicht beschritten wird. Die Übergangszeit von nicht mehr als vier Monaten ist nicht überschritten, weil der Zeitraum nicht taggenau berechnet wird, sondern vier volle Kalendermonate nac...