Weiterer Titel erforderlich?

Richtet sich die Räumung ausnahmsweise gegen eine weitere Person (etwa ein Kind aus einer früheren Beziehung oder den neuen Lebensgefährten), ist je nach Fallgestaltung das Erfordernis eines separaten Titels gegen den Mitbesitzer zu prüfen. Die jüngere Rechtsprechung des BGH zur allgemeinen Räumungsvollstreckung hat auch hier für einige Klärung gesorgt[1]:

  • Hat der Mieter in die Mietwohnung einen nichtehelichen Lebensgefährten aufgenommen, ist für die Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel auch gegen diesen dann erforderlich, wenn der Lebensgefährte Mitbesitz an der Wohnung begründet hat.[2]
  • Bei der die Wohnung mitbenutzenden Mutter des Räumungsschuldners ist von einem solchen Mitbesitz auszugehen.[3] Diese Personen sind am Verfahren zu beteiligen.[4]
  • Hingegen haben minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern (oder einem Elternteil) zusammenleben, grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung. Die Besitzverhältnisse an der Wohnung ändern sich nach Auffassung des BGH im Regelfall nicht, wenn die Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben. Haben Kinder keinen Mitbesitz an der Wohnung erlangt, reicht für eine Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern (oder ein Elternteil) aus.[5]

Teilräumung möglich?

Wenn gegen den 3. Mitbesitzer mangels eines gegen ihn gerichteten Titels nicht vollstreckt werden kann, kommt eine Räumungsvollstreckung gegen den Schuldner selbst in Betracht, sofern dadurch der Besitz des Dritten nicht beeinträchtigt wird.[6] Davon ist auszugehen, wenn der Schuldner in dem Räumungsobjekt abgeschlossene Teileinheiten alleine genutzt hat. Diese Möglichkeit sollte der Gläubiger stets in Erwägung ziehen.[7]

 
Hinweis

Tatsächlicher Besitz des Dritten

Beruft sich ein Dritter unter Vorlage eines (möglicherweise vordatierten) Untermietvertrags auf Drittgewahrsam, so hat der Gerichtsvollzieher bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht auf das behauptete Recht zum Besitz, sondern allein auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse abzustellen.[8]

"Besitz" i. S. d. § 885 ZPO meint den Besitz in Form des "Gewahrsams" gem. § 886 ZPO, der seinerseits dem unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB entspricht. Entscheidend ist dabei die von einem entsprechenden Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft, die für den Gerichtsvollzieher äußerlich erkennbar sein muss.[9]

Rechtsschutz für Dritte

Ergeben sich nach den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort keine hinreichenden Indizien dafür, dass der als "Untermieter" Benannte tatsächlich Besitzer der Räume ist, muss dieser sein der Vollstreckung entgegenstehendes Besitzrecht im Rechtsbehelfsverfahren geltend machen.[10]

 
Praxis-Tipp

Ermittlungen im Vorfeld

Der Gläubiger sollte bereits für das Erkenntnisverfahren ermitteln, wer in der zu räumenden Wohnung tatsächlich wohnt. Diese Personen sind als Beklagte im Räumungsprozess aufzuführen. Insoweit ist einerseits der Mieter zur Auskunft verpflichtet, was ggf. im Wege der Stufenklage auch durchgesetzt werden kann. Zum anderen kann etwa durch eine Anfrage beim Personenstandsregister nach § 62 PStG erfragt werden, ob der Schuldner verheiratet ist und Kinder hat. Über eine Melderegisterauskunft kann dann festgestellt werden, ob sie unter der Adresse des Schuldners gemeldet sind.

[1] Hierzu auch Schuschke, JuS 2008, S. 977, 978.
[2] BGH, Beschluss v. 19.3.2008, I ZB 56/07, NJW 2008 S. 1959 mit Anm. Schuschke; vgl. auch Eckebrecht, FPR 2008, S. 436, 437; Pauly, DGVZ 2008, S. 165.
[3] AG Tettnang, Beschluss v. 23.4.2008, 2 M 1024/08, DGVZ 2008 S. 174.
[4] Götz/Brudermüller, FamRZ 2009, S. 1261, 1267.
[5] BGH, a. a. O.; AG Berlin-Charlottenburg, Beschluss v. 7.4.2014, 32 M 8042/14, NJW-RR 2014 S. 1359; AG Wedding, Beschluss v. 12.7.2016, 31 M 8072/16, FoVo 2017 S. 95; für die Räumung nach Zwangsversteigerungserwerb vgl. BGH, Beschluss v. 2.10.2012, I ZB 78/11, NZM 2013 S. 395.
[8] Dazu AG Berlin-Mitte, Beschluss v. 16.1.2017, 31 M 8004/17, DGVZ 2017 S. 113, vgl. auch Mroß/Fischer, DGVZ 2016, S. 195.
[10] AG Berlin-Charlottenburg, Beschluss v. 7.4.2014, 32 M 8042/14, NJW-RR 2014 S. 1359.

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