Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es die Richtlinie 77/388/EWG erlaubt, die (bis 1.1.2009 geltende) nationale Steuerbefreiung der Leistungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen davon abhängig zu machen, dass bei diesen Einrichtungen "im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind" (§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F.).
Sachverhalt
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1993 waren bis 1.1.2009 steuerfrei u.a. "die mit dem Betrieb … der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 2/3 der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind".
In dem vom BFH zu entscheidenden Fall pflegte eine examinierte Krankenschwester ab Anfang 1993 einzelne Patienten selbstständig ambulant und meldete zum 1.6.1993 einen ambulanten Pflegedienst an. Zum 1.10.1993 wurde sie zu den Krankenkassen zugelassen. Von den im Gesamtjahr 1993 behandelten Personen waren 68 % Privatzahler. Daraufhin versagte das Finanzamt die Steuerfreiheit der von der Steuerpflichtigen in 1993 und in 1994 erbrachten Leistungen; für 1994 mit der Begründung, dass die von § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG geforderten Verhältnisse des Vorjahres 1993 nicht gegeben waren.
Der BFH hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die o.g. Bindung an das Vorjahr mit EU-Recht vereinbar ist. Desweiteren muss der EuGH prüfen, ob unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung ist, dass der nationale Gesetzgeber dieselben Leistungen unter anderen Voraussetzungen als steuerfrei behandelt, wenn sie von amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, ausgeführt werden (§ 4 Nr. 18 UStG).
Hinweis
Ab 1.1.2009 ist ein ambulanter Pflegedienste insoweit steuerfrei, als für diese Einrichtung ein Vertrag nach den in § 4 Nr. 16 UStG genannten §§ des SGB V besteht.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss v. 2.3.2011, XI R 47/07.