Prof. Dr. Edeltraud Günther, Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die Außenprüfung dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen (§ 194 Abs. 1 AO). Sie bezweckt die Ermittlung und Beurteilung der steuerlich bedeutsamen Sachverhalte, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen (§§ 85, 199 Abs. 1 AO).
Sachverhalt
Bei der Anordnung und Durchführung von Prüfungsmaßnahmen sind im Rahmen der Ermessensausübung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des geringstmöglichen Eingriffs zu beachten. Aus dem Gesetz wie auch aus der Betriebsprüfungsordnung ergibt sich, dass die Entscheidung, eine Außenprüfung vorzunehmen, sich nur von der für geboten erachteten Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse leiten lassen darf. Daraus folgt, dass das Auswahlermessen des Finanzamts bei Anordnung einer Außenprüfung jedenfalls seine Grenze im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Willkür- und Schikaneverbot findet.
Im Urteilsfall war die Behauptung des Steuerpflichtigen, das Finanzamt habe bei Erlass der Prüfungsanordnung gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen, nicht von der Hand zu weisen. Der Adressat der Prüfungsanordnung, ein selbstständig tätiger Rechtsanwalt, hatte detailliert und nachvollziehbar dargelegt, seine steuerlichen Verhältnisse seien seit Jahren unverändert und bekannt. Das Finanzamt habe die Prüfung bei ihm nur angeordnet, weil er einen Beamten der Finanzverwaltung vertrete, der behaupte, vom Vorsteher seines Amts gemobbt worden zu sein. Zwei weitere Mandanten von ihm hätten sich mit entsprechenden Vorwürfen an den Petitionsausschuss gewandt und Erfolg gehabt. Zeitgleich habe die Finanzverwaltung Außenprüfungen bei den beiden mit den Petitionen befassten Abgeordneten und dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses veranlasst. Der BFH verwies daher den Fall zur weiteren Sachaufklärung an das FG.
Hinweis
Der BFH stellte klar, dass eine Außenprüfung zwar grundsätzlich voraussetzungslos angeordnet werden kann. Sie muss aber dem Zweck dienen, die steuerlichen Verhältnisse des Geprüften aufzuklären. Lässt sich das Finanzamt von anderen, sachfremden Erwägungen leiten, kann dies gegen das Willkür- und Schikaneverbot verstoßen mit der Folge, dass die Anordnung rechtswidrig ist. Für die Entscheidung des Falls kann es von Bedeutung sein, nach welchen Kriterien das Finanzamt im Übrigen im fraglichen Zeitraum seinen Prüfungsplan erstellt hat und wie sich dies in Bezug auf die Angehörigen der freien Berufe verhielt, ferner, wie der zeitliche Ablauf von Vorschlag zur Außenprüfung, Aufnahme in den Prüfungsplan und (beabsichtigtem) Prüfungsbeginn regelmäßig gestaltet war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 28.9.2011, VIII R 8/09.