Leitsatz

Ob eine Straßenverbindung aufgrund einer zu erwartenden Zeitersparnis als "offensichtlich verkehrsgünstiger" anzusehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere ist nicht in jedem Fall eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten erforderlich.

 

Sachverhalt

K setzte bei seinen Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte eine Wegstrecke von 69 km an. Daneben begehrte er für den Besuch der CeBIT den Werbungskostenabzug. Das Finanzamt berücksichtigte Fahrtkosten für 55 km und versagte den Werbungskostenabzug für die CeBIT.

Die Klage blieb erfolglos. Der BFH hob die Vorentscheidung auf. Das FG hat zu prüfen, ob die von K genutzte Straßenverbindung "offensichtlich verkehrsgünstiger" war, und erneut über die Aufwendungen für den Besuch der CeBIT zu befinden.

 

Entscheidung

Längere Wegstrecken sind zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich verkehrsgünstiger sind. Dies setzt jedoch keine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten voraus. Eine solche absolute Grenze ließe bei kürzeren Strecken keinen Raum mehr für "verkehrsgünstigere" Varianten. Entscheidend ist die relative Ersparnis, die bei weniger als 10 % geringfügig wird und den "verständigen Verkehrsteilnehmer" nicht veranlasst, von der kürzesten Strecke abweichen.

Die Zeitersparnis ist aber nicht das allein entscheidende Merkmal. Das Merkmal "verkehrsgünstig" beinhaltet auch andere Umstände als die Zeitersparnis, z.B. die Streckenführung und Ampelschaltungen. Eine "offensichtlich verkehrsgünstigere" Straßenverbindung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn keine Zeitersparnis zu erwarten, die Strecke jedoch aufgrund anderer Umstände verkehrsgünstiger ist.

Der Ausschluss des Werbungskostenabzugs für einen CeBIT-Besuch kann angesichts der Rechtsprechung des großen Senats zum Aufteilungs- und Abzugsverbot nicht allein auf die Begründung gestützt werden, die ausschließlich berufliche Veranlassung des Besuchs sei nicht belegt. Bekanntlich ist nun die Aufteilung beruflich und privat veranlasster Reisekosten zulässig, notfalls durch Schätzung.

Zunächst ist zu prüfen, ob und ggf. inwieweit die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Dabei ist zu berücksichtigen, ob Kosten vom Arbeitgeber übernommen wurden, da dies für eine berufliche Veranlassung spricht. Sollte die berufliche Veranlassung nicht überwiegen, ist im nächsten Schritt über die Aufteilung nach privaten und beruflichen Veranlassungsbeiträgen zu entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 16.11.2011, VI R 19/11.

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