Leitsatz
- Die Bildung einer Rückstellung wegen Verletzung fremder Patente nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt nicht voraus, dass der Patentinhaber von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat.
- Wird ein und dasselbe Schutzrecht in mehreren Jahren verletzt, bestimmt sich der Ablauf der dreijährigen Auflösungsfrist i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG nach der erstmaligen Rechtsverletzung.
Sachverhalt
Eine KG stellt technische Gebrauchsartikel her. In ihrer Bilanz auf den 31.12.1989 wies sie Rückstellungen wegen der Verletzung fremder Patent- und Schutzrechte aus, obwohl kein Rechtsinhaber Ansprüche gegen sie geltend gemacht hatte. Das Finanzamt erkannte die Rückstellungen deshalb wegen fehlender Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nicht an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen; er hält die Begründung des FG für die Nichtanerkennung der streitigen Rückstellungen nicht für hinreichend.
Nach § 249 Abs. 1 HGB ist u.a. Voraussetzung der Rückstellungsbildung, dass der Schuldner am Bilanzstichtag mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss. Diese Grundsätze sind nach § 5 Abs. 1 EStG auch steuerlich anzuwenden; dabei gilt für Rückstellungen wegen der Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte die Sonderregelung des § 5 Abs. 3 EStG. Danach dürfen derartige Rückstellungen erst dann gebildet werden, wenn der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder mit einer solchen Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist. Dazu war entgegen der Auffassung des FG nicht erforderlich, dass der geschädigte Patentinhaber in irgendeiner Weise reagiert hat. Die Klägerin als Verpflichtete musste auch nicht darlegen und beweisen, dass die Patentverletzung dem Berechtigten bekannt geworden ist oder die Kenntniserlangung unmittelbar bevorstand. Wenn eine Verbindlichkeit wegen Patentverletzung dem Grunde nach besteht, darf im Allgemeinen unter Kaufleuten davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger wahrscheinlich ist. Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber durch § 5 Abs. 3 EStG nicht unterlaufen, sondern nur zeitlich insoweit begrenzen, als eine vor Inanspruchnahme gebildete Rückstellung spätestens in der Bilanz des dritten darauf folgenden Wirtschaftsjahres aufzulösen ist, wenn keine Ansprüche geltend gemacht worden sind. Wird ein Patent in mehreren Jahren verletzt, bestimmt sich der Ablauf der Auflösungsfrist nach der erstmaligen Rechtsverletzung.
Praxishinweis
Zur Zulässigkeit von Rückstellungen wegen einseitiger Verbindlichkeiten hat der BFH entschieden, der Gläubiger müsse von der sich aus ihnen ergebenden möglichen Berechtigung Kenntnis erlangen. Vorher lasse das Vorsichtsprinzip lediglich bei nachweisbar unmittelbar bevorstehender Kenntnisnahme die Bildung einer Rückstellung zu. Verpflichtungen aus Patentrechtsverletzungen unterscheiden sich davon allerdings dadurch, dass Patentrechtsverletzungen infolge der ständigen Überwachung des Markts dem Patentinhaber in der Regel bekannt sind.
Die Bildung von Rückstellungen wegen anderer Rechtsverletzungen, etwa wegen unrechtmäßiger ärztlicher Abrechnungen gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung, hat der BFH eingeschränkt für den Fall bejaht, dass angesichts der am Bilanzstichtag objektiv gegebenen und bis zur Bilanzaufstellung subjektiv erkennbaren Verhältnisse mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Ein gegen einen Dritten in einer vergleichbaren Sache ergangenes erstinstanzliches Urteil genügt allein noch nicht, um für das Bestehen einer entsprechenden Verbindlichkeit überwiegende Gründe annehmen zu können.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 9.2.2006, IV R 33/05