Leitsatz
Ist eine GmbH neben ihren Gesellschaftern an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt und nimmt sie an einer Kapitalerhöhung bei jener Gesellschaft nicht teil, so kann dieses Verhalten nur dann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen, wenn die GmbH für ihr Recht zum Bezug neuer Anteile ein Entgelt hätte erzielen können.
Sachverhalt
Die A-GmbH war bis Anfang 1993 mit 25 % am Stammkapital der B-GmbH beteiligt. Weitere Gesellschafter der B-GmbH waren E und V, die zudem alle Anteile an der A-GmbH hielten. In 1993 wurde das Kapital der B-GmbH von 200000 DM auf 500000 DM erhöht. Die neuen Anteile wurden nur von E und V übernommen. Das Finanzamt meinte, durch diesen Vorgang seien stille Reserven in den Anteilen der B-GmbH unentgeltlich von der A-GmbH auf E und V übergegangen, und sah darin eine verdeckte Gewinnausschüttung. Dagegen machte die A-GmbH geltend, sie sei wirtschaftlich nicht zur Übernahme neuer Anteile in der Lage gewesen.
Entscheidung
Eine verdeckte Gewinnausschüttung setzt u.a. eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung voraus, die sich auf den Unterschiedsbetrag i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG auswirkt. Eine Vermögensminderung, d.h. Minderung des Betriebsvermögens, ist hier nicht eingetreten, da die A-GmbH ihre Anteile an der B-GmbH im Anschluss an die Kapitalerhöhung nicht niedriger bewerten muss als zuvor. Eine verhinderte Vermögensmehrung, d.h. ein Verzicht auf eine Erhöhung des Betriebsvermögens, liegt nur dann vor, wenn die A-GmbH sich einen Vermögenswert hat entgehen lassen, den sie hätte erzielen können und dann zum 31.12.1993 aktivieren müssen. Das setzt voraus, dass es ihr möglich gewesen wäre, ihr Bezugsrecht zu veräußern oder bei ihren Mitgesellschaftern ein Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung des Bezugsrechts durchzusetzen. Das wiederum hängt von der Veräußerbarkeit des Bezugsrechts sowie davon ab, welche anderen Wege, z.B. Drohung mit eigener Ausübung des Bezugsrechts oder mit Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses, sie zu diesem Zweck hätte beschreiten können. Dazu hat das FG nichts festgestellt, was nachzuholen ist.
Praxishinweis
Nach Ansicht des BFH kann das entschädigungslose "Überspringen" stiller Reserven von den Anteilen der Kapitalgesellschaft auf (neue) Anteile der Gesellschafter als solches keine verdeckte Gewinnausschüttung begründen. Es ist vielmehr eine streng bilanzielle Betrachtung geboten: Nur wenn das zu beurteilende Verhalten der GmbH bis zum Bilanzstichtag (!) zur Verminderung des zu bilanzierenden Betriebsvermögens geführt oder dessen Vermehrung verhindert hat, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen. Anderenfalls spielt namentlich die Frage, ob das Verhalten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war oder nicht, keine Rolle.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 15.12.2004, I R 6/04