Dipl.-Finanzwirt (FH) Udo Klingler
Leitsatz
Die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, stellt eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung dar.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige betrieb in einem Ladenlokal ein Einzelhandelsgeschäft mit Sportartikeln. Sie veräußerte zum 30.6.1996 an eine GmbH den Warenbestand und die Ladeneinrichtung. Das Geschäft vermietete sie ab 1.8.1996 auf unbestimmte Zeit an die GmbH. Der Mietvertrag konnte von jeder Partei spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahrs zum Ablauf des folgenden Kalendervierteljahrs gekündigt werden. Die GmbH führte das Sportgeschäft fort und gab es zum 31.5.1998 auf. Die Steuerpflichtige wies in der Rechnung über die verkauften Gegenstände keine Umsatzsteuer aus.
Nach der Vorentscheidung des EuGH (Urteil v. 10.11.2011, C-444/10) muss, damit eine Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils festgestellt werden kann, die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichen, um die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Erwerber zu ermöglichen. Des weiteren ist erforderlich, dass der Erwerber beabsichtigt, den Geschäftsbetrieb weiterzuführen und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln und ggf. den Warenbestand zu verkaufen.
Zur Beurteilung dieser Voraussetzungen kommt der Frage, ob die Dauer des Mietvertrags und die Bedingungen für seine Beendigung zu berücksichtigen sind, Bedeutung zu. Dazu ist festzustellen, dass die Dauer des Mietvertrags und die für seine Beendigung vereinbarten Bedingungen bei der Gesamtbeurteilung einer Vermögensübertragung berücksichtigt werden müssen. Dies deshalb, weil sie Auswirkungen auf diese Beurteilung haben, falls sie ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit sein können. Die Möglichkeit, einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit kurzfristig zu kündigen, ist jedoch nicht als solche dafür entscheidend, dass der Erwerber beabsichtigte, den Geschäftsbetrieb sofort abzuwickeln. Die Annahme einer Geschäftsveräußerung kann deshalb nicht allein aus diesem Grund abgelehnt werden. Deshalb war von einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG auszugehen.
Hinweis
Es ist nunmehr geklärt, dass auch ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, unschädlich für die Annahme einer Geschäftsveräußerung ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.1.2012, XI R 27/08.