Leitsatz
- Vereinbart eine GmbH mit ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die Zahlung von Vorschüssen auf eine erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs fällige Gewinntantieme, so müssen die Voraussetzungen und die Zeitpunkte der vereinbarten Vorschusszahlungen im Einzelnen klar und eindeutig im Voraus festgelegt werden. Es genügt nicht, dem Gesellschafter-Geschäftsführer des Recht einzuräumen, angemessene Vorschüsse verlangen zu können.
- Zahlt eine GmbH ihrem Gesellschafter ohne eine entsprechende klare und eindeutige Abmachung einen unverzinslichen Tantiemevorschuss, so ist der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung eine verdeckte Gewinnausschüttung (Anschluss an Urteil vom 17.12.1997, I R 70/97, BStBl II 1998, S. 545 = INF 1998, S. 475). Dabei ist davon auszugehen, dass sich die GmbH und der Gesellschafter im Zweifel die Spanne zwischen banküblichen Soll- und Habenzinsen teilen (Anschluss an Urteile vom 28.2.1990, I R 83/87, BStBl II 1990, S. 649 = INF 1990, S. 378; vom 19.1.1994, I R 93/93, BStBl II 1994, S. 725 = INF 1994, S. 507).
Sachverhalt
Eine GmbH hatte zwei Gesellschafter-Geschäftsführer (A und B), denen u.a. Gewinntantiemen zustanden. Diese waren einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig; A und B konnten aber schon während des Geschäftsjahrs angemessene Vorschüsse verlangen. Im Jahr 2000 zahlte die GmbH an A 30000 DM und an B 10000 DM als Vorschuss aus, wonach am Jahresende eine Tantiemeverbindlichkeit von 35370 DM verblieb. Das Finanzamt sah in der Unverzinslichkeit der Vorschüsse verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von 666 DM (10 % von 40 000 DM für zwei Monate).
Entscheidung
Die Vorschusszahlungen sind dem Grunde nach verdeckte Gewinnausschüttungen. Sie sind zwar in den Anstellungsverträgen vereinbart worden. Die dort getroffenen Abreden laufen jedoch darauf hinaus, dass A und B nach Belieben Vorschüsse auf die Tantiemen verlangen können, die eigentlich erst später fällig werden. Sie halten deshalb dem bei Beherrschungsverhältnissen geltenden Erfordernis einer klaren und eindeutigen Vereinbarung nicht stand.
Die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen bestimmt sich nach dem bei der GmbH eingetretenen Liquiditätsverlust und dem Liquiditätsvorteil von A und B. Für ihre Berechnung ist der Mittelwert zwischen den banküblichen Soll- und Habenzinsen anzusetzen, da angenommen werden kann, dass fremde Dritte sich die Spanne zwischen beiden Werten geteilt hätten. Die hiernach erforderliche Berechnung muss das FG noch nachholen.
Praxishinweis
Der BFH sah A und B als beherrschende Gesellschafter der GmbH an, weil beide gleichermaßen Vorschusszahlungen verlangen konnten und deshalb insoweit eine "beherrschende Personengruppe" bildeten. Ob unabhängig vom Klarheitsgebot – also auch bei nicht beherrschenden Gesellschaftern – eine unentgeltliche Vorschusszahlung generell eine verdeckte Gewinnausschüttung ist, ließ er ausdrücklich offen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 22.10.2003, I R 36/03