Leitsatz
Der Wechsel von der Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG ist eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a UStG.
Sachverhalt
Ein Vermieter von Ferienwohnungen wurde bis einschließlich 1996 als Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 1 UStG nicht besteuert. Da das Bruttomietentgelt 1996 die Grenze dieser Vorschrift überschritt, wurde die Umsatzsteuer ab 1997 nach den allgemeinen Vorschriften des UStG erhoben. 1995 und 1996 waren für den Ausbau der Ferienwohnungen Vorsteuerbeträge angefallen, die der Vermieter nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht geltend machen konnte. Für diese Vorsteuerbeträge setzte er in der Umsatzsteuererklärung 1997 Vorsteuerberichtigungsbeträge gem. § 15a UStG an. Finanzamt und -gericht versagten die Vorsteuerberichtigung, da der Wechsel von der Besteuerung als Kleinunternehmer zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften zu keiner Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG bezüglich der im Unternehmen weiter verwendeten Wirtschaftsgüter führe.
Entscheidung
Der frühere Kleinunternehmer kann die Vorsteuerberichtigung beanspruchen. Der Wechsel von der Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG ist eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a UStG. Denn in den Jahren der erstmaligen Verwendung der Ferienwohnungen (1995 und 1996) scheiterte der Vorsteuerabzug allein an § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG. Dieser Ausschluss des Vorsteuerabzugs fiel durch den Übergang zur Regelbesteuerung im Streitjahr 1997 weg.
Der Zweck des § 15a UStG erfasst – entsprechend seinem weit gefassten Wortlaut – nicht nur Änderungen der Verwendungsverhältnisse, sondern sämtliche Änderungen "der Verhältnisse, die … für den Vorsteuerabzug maßgebend waren". Der Anwendung des § 15a Abs. 1 UStG im Streitfall steht der Ermächtigungsvorbehalt für eine Rechtsverordnung in § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG nicht entgegen. Diese Vorschrift ist in Zusammenhang mit Art. 20 Abs. 6 der 6. RL zu sehen, auf der sie beruht. Nach ihr können die Mitgliedstaaten bei einem Wechsel der Besteuerungsform "die erforderlichen Bestimmungen erlassen, um zu gewährleisten, dass dem Steuerpflichtigen weder ungerechtfertigte Vorteile noch ungerechtfertigte Nachteile entstehen." Die Versagung der Berichtigung in Fällen der vorliegenden Art würde aber zu einem ungerechtfertigten Nachteil des Steuerpflichtigen führen. Davon geht mittlerweile auch der Gesetzgeber aus. Er hat die Beschränkungsregelung für eine Vorsteuerberichtigung in § 19 Abs. 1 Satz 5 UStG durch das StÄndG 2001 gestrichen.
§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG greift nicht nur dann ein, wenn ein Wechsel der Besteuerung – wie im Streitfall – gezwungenermaßen wegen Überschreitens der Umsatzgrenze in § 19 UStG eintritt, sondern auch dann, wenn ein Kleinunternehmer während des Berichtigungszeitraums freiwillig gemäß § 19 Abs. 2 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften übergeht.
Praxishinweis
Kleinunternehmer, die inzwischen freiwillig oder zwangsweise zur Regelbesteuerung übergegangen sind und während der Anwendung der Kleinunternehmerregelung Investitionen mit Vorsteuerbelastung vorgenommen haben, sollten prüfen, ob der Berichtigungszeitraum von fünf bzw. zehn Jahren für diese Wirtschaftsgüter noch läuft. Insoweit können sie unter den Voraussetzungen der Entscheidung noch Vorsteuerbeträge beanspruchen.
Das "günstige" Ergebnis der Entscheidung beruht auf der Auslegung des Ermächtigungsvorbehalts in § 15a Abs. 7 UStG. Einer Rechtsverordnung zur Vermeidung von Härten oder ungerechtfertigten Steuervorteilen beim Wechsel der Besteuerungsform hätte es gegebenenfalls in Fällen des bis 1990 geltenden Steuerabzugsbetrags nach § 19 Abs. 3 UStG bedurft. Mit Aufhebung dieser komplizierten Regel bestand – insbesondere im Hinblick auf die richtlinienkonforme Geltung des Vorsteuerabzugsrechts – kein Grund mehr für die Versagung der Vorsteuerberichtigung.
Die "weite" Anwendung der Vorsteuerberichtigung hatte der BFH bereits zu § 24 UStG vertreten, wenn im Fall der Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG der ursprüngliche Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG wegfällt, weil ein Wirtschaftsgut nicht mehr für nach Durchschnittssätzen besteuerte Umsätze, sondern nunmehr für Umsätze verwendet wird, die nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen unterliegen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 17.6.2004, V R 31/02