Leitsatz
- Das Unternehmen (i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG) wird durch die "wirtschaftliche Tätigkeit" des Unternehmens i.S. des Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) geprägt. Die dort genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten können mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen. Eine derartige Tätigkeit kann auch beim Umbau eines Gebäudes in ein Hotelgrundstück vorliegen, wenn der Eigentümer beabsichtigt, es an einen Hotelier zu verpachten und dieser das Grundstück zunächst nutzen darf, ohne eine Pacht zu zahlen. Entscheidend ist, dass der Unternehmer die Aufwendungen für das Grundstück in der ernsthaften Absicht tätigt, das Grundstück unternehmerisch zu nutzen.
- Im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist eine unternehmerische Tätigkeit nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, diese aber nicht vertragsgemäß vollzogen werden, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist.
- Der Steuerpflichtige kann sich wegen der Unvereinbarkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG mit Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 der 6. EG-Richtlinie unmittelbar auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht berufen.
Problematik
Ein selbstständiger Architekt und Vermietungsunternehmer baute 1995 ein Gebäude zu einem Hotel um. Er verpachtete den Umbau ab 1.11.1995 an seine Ehefrau mit der Vereinbarung, dass erst ab 1. 1. 1999 ein Pachtzins zu zahlen sei: "Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Pachtobjekt unentgeltlich an den Verpächter verpachtet. Sollte in dieser Zeit ein Gewinn erwirtschaftet werden, ist dieser rückwirkend als Pacht zu entrichten." In seiner Umsatzsteuererklärung für die Streitjahre machte der Architekt u. a. die Vorsteuerbeträge aus der Errichtung des "W-Hotels", d. h. aus der Errichtung des Haupthauses in der S-Straße geltend.
Finanzamt und FG versagten dem Architekten den Vorsteuerabzug aus den Umbaumaßnahmen für 1995 bis 1997. Die Verwendung dieser Leistungen i.S.v. § 15 Abs. 2 UStG, (Vorsteuerausschluss), d. h. die Nutzungsüberlassung des Hotelgebäudes lt. Pachtvertrag, sei zunächst nicht auf die Erzielung von Pacht-Einnahmen gerichtet gewesen. Vielmehr sei zunächst eine nichtunternehmerische Nutzungsüberlassung des Hotels beabsichtigt gewesen.
Entscheidung des BFH
Der Vorsteuerabzug war grundsätzlich zu gewähren. Die Unternehmereigenschaft des Architekten war nicht fraglich. Er überließ auch den Hotelumbau "im Rahmen seines Unternehmens" an seine Ehefrau für deren Hotelunternehmen. Auch bei einem Verzicht auf Pachtentgelt während der Anlaufzeit des Hotelbetriebs der Ehefrau standen unternehmerische Erwägungen des Architekten als Verpächter im Vordergrund. Die Annahme einer unentgeltlichen nichtunternehmerischen Tätigkeit war nicht gerechtfertigt.
Der BFH konnte offen lassen, ob dabei auf die auch in der Anfangsphase vorhandene Absicht des Ehemanns, Entgelte zu erzielen, abzustellen war oder darauf, dass der Ehemann zunächst mit dem Hotel unentgeltliche Leistungen ausführte; denn diese erbrachte er jedenfalls "für sein Unternehmen". Auch solche Leistungen schließen nach Art. 17 der 6. EG-Richtlinie den Vorsteuerabzug nicht aus. Allein wegen der Möglichkeit, dass die Vereinbarungen unter den Ehegatten nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist, war umsatzsteuerrechtlich die durchgeführte Leistung nicht als nichtunternehmerisch umzuqualifizieren.
Soweit § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG den Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge ausschließt, die der Unternehmer "zur Ausführung unentgeltlicher Leistungen verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden", verwies der BFH darauf, dass dafür in Art. 17 der 6. EG-Richtlinie keine Ermächtigung zu finden ist. Der Unternehmer kann sich auf das ihm nach Art. 17 der 6. EG-Richtlinie zustehende Vorsteuerabzugsrecht berufen.
Im Streitfall war aber noch die Höhe der zulässigen Vorsteuerbeträge zu prüfen, ebenso der tatsächliche Beginn der Nutzungsüberlassung und die Frage, ob die Ehefrau tatsächlich für die gesamten Streitjahre kein Pachtentgelt bezahlt hatte. Bei einer Nutzungsüberlassung an Angehörige gegen (herabgesetztes) Entgelt ist der Umsatz gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten zu bemessen (vgl. Bemessungsgrundlage/Überblick).
Konsequenzen für die Praxis
Wichtig für Umsätze zwischen Ehegatten ist, dass diese Umsätze aufgrund nicht ganz "fremdüblicher Vereinbarungen" von der Verwaltung (oft nicht zu Unrecht) mit Misstrauen betrachtet werden. Im Umsatzsteuerrecht ist der Maßstab des Fremdvergleichs nach der BFH-Rechtsprechung aber nur ein Prüf-Kriterium für eine ernstliche Durchführung. Entscheidend ist die tatsächliche Umsatzgestaltung. Wird z. B. ein "herabgesetztes" Entgelt vereinbart – was letztlich auch im Streitfall nahe liegt –, ist dieses schon nach dem UStG (§ 10 Abs. 5) die Bemessungsgrundlage, sodass für Hilfskriterien wie den Fremdvergleich kein Anwendungsraum besteht. Empfehle...