Leitsatz
- Das Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG 1993 wird durch die "wirtschaftliche Tätigkeit" des Unternehmens i.S. des Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG geprägt. Die dort genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten können mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen. Eine derartige Tätigkeit kann auch beim Umbau eines Gebäudes in ein Hotelgrundstück vorliegen, wenn der Eigentümer beabsichtigt, es an einen Hotelier zu verpachten und dieser das Grundstück zunächst nutzen darf, ohne eine Pacht zu zahlen. Entscheidend ist, dass der Unternehmer die Aufwendungen für das Grundstück in der ernsthaften Absicht tätigt, das Grundstück unternehmerisch zu nutzen.
- Im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist eine unternehmerische Tätigkeit nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, diese aber nicht vertragsgemäß vollzogen werden, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist.
- Der Steuerpflichtige kann sich wegen der Unvereinbarkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1993 mit Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG unmittelbar auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht berufen.
Sachverhalt
Ein selbständiger Architekt und Vermietungsunternehmer baute 1995 ein Gebäude zu einem Hotel um. Er verpachtete den Umbau ab 1.11.1995 an seine Ehefrau mit der Vereinbarung, dass erst ab 1.1.1999 ein Pachtzins zu zahlen sei. In seiner Umsatzsteuererklärung für die Streitjahre machte der Kläger u.a. die Vorsteuerbeträge aus dem Umbau des Hotels geltend. Finanzamt und -gericht versagten den Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Verwendung dieser Leistungen i.S.v. § 15 Abs. 2f. UStG, d.h. die Nutzungsüberlassung des Hotels laut Pachtvertrag, sei zunächst nicht auf die Erzielung von Pachteinnahmen gerichtet gewesen, sondern zunächst als nichtunternehmerische Tätigkeit anzusehen.
Entscheidung
Der Vorsteuerabzug war grundsätzlich zu gewähren. Die Unternehmereigenschaft des Architekten war nicht fraglich. Er überließ den Hotelumbau "im Rahmen seines Unternehmens" an seine Ehefrau für deren Hotelunternehmen. Auch bei einem Verzicht auf Pachtentgelt während der Anlaufzeit des Hotelbetriebs der Ehefrau standen unternehmerische Erwägungen des Architekten als Verpächter im Vordergrund. Die Annahme einer unentgeltlichen nichtunternehmerischen Tätigkeit war nicht gerechtfertigt. Der BFH konnte offen lassen, ob dabei auf die auch in der Anfangsphase vorhandene Absicht des Ehemanns, Entgelte zu erzielen, abzustellen war, oder darauf, dass unentgeltliche Leistungen "für sein Unternehmen" vorlagen.
Allein wegen der Möglichkeit, dass die Vereinbarungen unter den Ehegatten nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist, war die durchgeführte Leistung nicht als nichtunternehmerisch umzuqualifizieren. Bei einer Nutzungsüberlassung an Angehörige gegen (herabgesetztes) Entgelt ist der Umsatz gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten zu bemessen.
Soweit § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG den Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge ausschließt, die der Unternehmer "zur Ausführung unentgeltlicher Leistungen verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden", verwies der BFH darauf, dass dafür in Art. 17 der 6. RL keine Ermächtigung zu finden ist. Der Unternehmer kann sich auf das ihm nach Art. 17 der 6. RL zustehende Vorsteuerabzugsrecht berufen.
Im Streitfall war aber noch die Höhe der zulässigen Vorsteuerbeträge zu prüfen, ebenso der tatsächliche Beginn der Nutzungsüberlassung und die Frage, ob die Ehefrau tatsächlich für die gesamten Streitjahre kein Pachtentgelt bezahlt hatte.
Praxishinweis
Umsätze zwischen Ehegatten aufgrund nicht "fremdüblicher Vereinbarungen" werden von der Verwaltung (oft nicht zu Unrecht) mit Misstrauen betrachtet. Im Umsatzsteuerrecht kann der Fremdvergleich nach der BFH-Rechtsprechung aber nur als Prüfkriterium für die ernstliche Durchführung herangezogen werden. Entscheidend ist die tatsächliche Umsatzgestaltung. Wird z.B. ein "herabgesetztes" Entgelt vereinbart, was letztlich auch im Streitfall nahe liegt, greift schon nach § 10 Abs. 5 UStG die Bemessungsgrundlage korrigierend ein, so dass für Hilfskriterien wie den Fremdvergleich kein Anwendungsraum besteht.
Empfehlenswert ist es jedenfalls, die Vereinbarungen so abzufassen, dass sie nicht den Eindruck einer "unentgeltlichen" Tätigkeit eines Ehegatten für den anderen hervorrufen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die Tätigkeiten beider Ehegatten ersichtlich im beiderseitigen unternehmerischen Rahmen abspielen. Hier würde die punktuelle Annahme von "nichtunternehmerischer Unentgeltlichkeit" z.B. in Anlaufphasen eine systemstörende Steuerkumulation bewirken. Der BFH hielt insoweit sogar den Hinweis auf die durch den EuGH stets angemahnten Grundelemente des Mehrwertsteuersystems für geboten.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 11.12.2003, V R 48/02