Leitsatz
- Schließt ein Unternehmer mit einem anderen Unternehmer einen Kaufvertrag über den Bezug von Werbegeschenken, ist der Unternehmer auch dann Abnehmer (Leistungsempfänger), wenn der andere die Werbegeschenke vereinbarungsgemäß nicht unmittelbar an den Unternehmer, sondern an den Inhaber eines "Warenzertifikats" (Warengutscheins) als Beauftragten des Unternehmers übergibt und hierauf auf dem Gutschein ausdrücklich hingewiesen wurde. Eine derartige Gestaltung ist nicht rechtsmissbräuchlich.
- Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Lieferungen, auf die eine Anzahlung geleistet wurde, setzt voraus, dass die Gegenstände der Lieferung zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind.
Sachverhalt
Sportartikelhändler S gab an Kunden Geschenkgutscheine über Parfümartikel aus, die er aufgrund einer Rahmenvereinbarung bei der Parfümerie E anforderte. Die "Geschenkgutscheine" enthielten folgenden Hinweis: "Dieses Warenzertifikat berechtigt Sie, sich bei E aus dem vorhandenen Sortiment Waren bis zum angegebenen Gesamtwert für Rechnung des Rechnungsnehmers auszusuchen. E handelt im Namen des Rechnungsnehmers." Als Gesamtwert war ein Geldbetrag angegeben. Auf der linken Seite des Gutscheins war der Name von S aufgedruckt. Auf der Rückseite befand sich die Aufschrift: "Dieses Warenzertifikat kann in allen E-Parfümerien … ausschließlich gegen Ware eingelöst werden. Bei Verlust dieses Warenzertifikats ist kein Ersatz möglich." Löste ein Gutscheinempfänger den Gutschein bei E ein, erhielt er einen "Kassenzettel", der weder Umsatzsteuer gesondert auswies noch den Steuersatz angab.
Am 21.9.1999 erteilte E dem S eine Rechnung über die "Lieferung unserer Geschenkgutscheine" und wies Umsatzsteuer gesondert aus. Am 17.2.2003 erteilte E dem S eine Schlussrechnung über die im Jahr 1999 aufgrund der Gutscheine gelieferten Parfümartikel.
Mit dem Anspruch auf Vorsteuerabzug – zunächst auf den Bezug der Geschenkgutscheine, im Klageverfahren auf die Lieferung der Parfümartikel gestützt – hatte S keinen Erfolg. Das FG meinte, die Parfümartikel seien an die Inhaber der Gutscheine und nicht an S geliefert worden. E habe die Gutscheine lediglich als Zahlungsmittel angenommen. S legte Revision ein.
Entscheidung
Die Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Zwar war S Lieferungsempfänger der Parfümartikel. S hatte aber von E über diese Lieferungen keine Rechnungen erhalten, die zum Vorsteuerabzug im Streitjahr berechtigt hätten.
Leistungsempfänger war nach dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis S als Auftraggeber, nicht der Gutscheininhaber. Nach der Rahmenvereinbarung konnte S die Lieferung an sich beanspruchen und war zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Die Lieferungen erfolgten laut Vertrag an S. Denn die Gutscheininhaber handelten bei der Entgegennahme der Waren im Namen von S. Die Lieferung an den jeweiligen Gutscheininhaber erfolgte nicht durch E, sondern durch S. E handelte insoweit im Namen und Auftrag von S, was aus Sicht der Gutscheininhaber aus dem Aufdruck "E handelt im Namen des Rechnungsnehmers" folgte, der sich auf dem Gutschein befand.
S hat demnach nicht Käufe der Gutscheininhaber finanziert oder – unter Abkürzung des Zahlungswegs – (Voraus-)Zahlungen auf einen von den Gutscheininhabern geschuldeten Kaufpreis für Waren aus dem Sortiment der E geleistet, sondern selbst Waren gekauft, um diese als Werbegeschenke an Dritte weiterzugeben. Die Gutscheine ermächtigten zur Auswahl von Waren für S; sie können folglich nicht als allgemeines Zahlungsmittel und damit nicht als "Bargeld" oder "Preisnachlass- bzw. Preiserstattungsgutscheine" angesehen werden.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor. Das Recht auf Abzug der für den Bezug von Werbegeschenken entrichteten Vorsteuer entspricht dem Mehrwertsteuersystem. Soweit es zu einem umsatzsteuerrechtlich unerwünschten "unversteuerten Endverbrauch" kommen könnte, beruht dieser allenfalls auf der Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers, bestimmte Entnahmen nicht zu besteuern.
Der Vorsteuerabzug von S scheiterte aber an der Rechnungsvoraussetzung:
- Bei einer Anzahlung muss insbesondere der Gegenstand der künftigen Lieferung und der Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sein. Die Rechnung vom 21.9.1999 ist ungeeignet, denn darin sind als Gegenstand der Lieferung Gutscheine und nicht die gelieferten Parfümartikel genannt.
- Aus den "Kassenzetteln" ist ebenfalls kein Vorsteuerabzug möglich. Denn sie genügen nicht den Anforderungen des § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV 1999 an Kleinbetragsrechungen, weil der Steuersatz auf ihnen nicht angegeben ist.
- Die Schlussrechnung vom 17.2.2003 führt nicht im Streitjahr, sondern allenfalls für das Jahr 2003 zum Vorsteuerabzug. Sie bezeichnet allerdings eindeutig den Gegenstand der Lieferung.
Praxishinweis
Die Gestaltung der Leistungsbeziehungen mag etwas kompliziert geregelt worden sein, was auch zur Verwirrung bei der Rechtsanwendung führte. Das belegt bereits S, dem nicht klar war, ob er den Vorsteuerabzug für...