Leitsatz
- Ehegatten, die auf einem in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück ein Wohngebäude errichten, sind als Empfänger der Bauleistungen anzusehen, wenn die Ehegattengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit handelt und als solche keine unternehmerische Tätigkeit ausübt.
- Ist bei einer solchen Ehegattengemeinschaft nur ein Ehegatte unternehmerisch tätig und verwendet dieser einen Teil des Gebäudes ausschließlich für seine unternehmerischen Zwecke (z.B. als Arbeitszimmer), so steht ihm das Vorsteuerabzugsrecht aus den bezogenen Bauleistungen anteilig zu, soweit der seinem Unternehmen zugeordnete Anteil am Gebäude seinen Miteigentumsanteil nicht übersteigt.
- Nach den Vorschriften der § 15 Abs. 1 und § 14 UStG 1991/1993 reicht für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug des unternehmerisch tätigen Ehegatten eine an beide Ehegatten ausgestellte Rechnung aus, auch wenn sie keine Angaben zu den Anteilen der Ehegatten und keine entsprechenden Teilbeträge ausweist, wenn nach den Umständen des Falls keine Gefahr besteht, dass es zu Steuerhinterziehung oder Missbrauch kommt.
Sachverhalt
Ende 1990 erwarben die Ehegatten A (¼) und B (¾) Miteigentum an einem Grundstück, auf dem sie ein Einfamilienhaus errichten ließen. Die Rechnungen über die Bauleistungen waren an die "Eheleute A und B" gerichtet. Der Ehemann nutzte ein häusliches Arbeitszimmer in dem Einfamilienhauses für seine nebenberufliche unternehmerische Tätigkeit als Fachschriftsteller. Für die Streitjahre 1991 bis 1993 machte er aus den Rechnungen Vorsteuerbeträge anteilig geltend. Den nach seiner Ansicht abziehbaren Anteil ermittelte er nach der Fläche des Arbeitszimmers im Verhältnis zur Gesamtwohnfläche mit 12 %. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, Bauherr und Leistungsempfänger sei die Grundstücksgemeinschaft gewesen.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Laut FG war der Ehemann nur zivilrechtlicher Auftraggeber und Empfänger der auf das Arbeitszimmer entfallenden Bauleistungen. Dass die Rechnung an beide Eheleute gerichtet war, hielt das FG für unschädlich. Gegen das FG-Urteil legten sowohl das Finanzamt als auch der Ehemann Revision ein. Der BFH legte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor. Diese beantwortete der EuGH mit Urteil vom 21.4.2005.
Entscheidung
Der wesentliche Entscheidungsinhalt ergibt sich aus den Leitsätzen.
Praxishinweis
Nach der EuGH-Entscheidung war klar, dass der BFH daran festhalten kann, dass bei gemeinschaftlichem Erwerb eines Gegenstands durch mehrere Personen auf die einzelnen Beteiligten – und nicht auf die "Gemeinschaft" – als Leistungsempfänger zurückgegriffen werden kann, wenn diese Personen nicht aufgrund eines gemeinsam verfolgten Zwecks handeln. Ein solcher Zweck ist die Absicht, den Gegenstand gemeinsam als Rechtsperson i.S. des Umsatzsteuerrechts zur Ausführung von entgeltlichen Umsätzen zu verwenden. Das ist die unternehmerische Tätigkeit als Rechtsperson. Auf die zivilrechtliche Eigenschaft als Rechtsperson kommt es aber nicht an. Die Erfüllung der Grundstruktur der GbR reicht aus. Der gemeinsame Zweck "als Rechtsperson" kann aber auch durch gemeinsame nichtunternehmerische Tätigkeit verfolgt werden, z.B. wenn die Ehegatten das gemeinsam errichtete Gebäude dem Ehemann oder Kindern unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Dann entfällt jeder Vorsteuerabzug.
Zu beachten ist, dass die Entscheidung zu den Vorsteuerabzugsvoraussetzungen vor der Erweiterung des Katalogs der Rechnungsangaben in Art. 22 der 6. EG-Richtlinie durch die Rechnungsrichtlinie vom 20.12.2001 bzw. in § 14 Abs. 4 UStG mit Wirkung vom 1.4.2004 ergangen ist. M.E. dürfte es aber trotz der verschärften Voraussetzungen dabei bleiben, dass zusätzliche Einzelangaben zu den Miteigentümern, zur Aufteilung der Leistungen auf die Miteigentümer nach ihren Anteilen und zur Aufteilung von Entgelt und darauf entfallender Steuer in einer an die Miteigentümer ausgestellten Rechnung für den Vorsteuerabzug des allein unternehmerisch tätigen Miteigentümers nicht erforderlich sind, jedenfalls wenn keine Missbrauchsgefahr besteht.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 6.10.2005, V R 40/01