Leitsätze (amtlich)

1. Werden Gegenstände an den (späteren) Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung geliefert, steht diesem der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1993 bereits im Zeitpunkt der Lieferung und Rechnungserteilung zu, auch wenn der Konkursverwalter die Kaufpreisforderungen erst nach Konkurseröffnung bezahlt.

2. In diesem Fall kommt eine Vorsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichkeit der Forderung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993) und nachträglicher Vereinnahmung des Entgelts (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993) nicht in Betracht, wenn der Konkursverwalter gemäß § 17 KO anstelle des Gemeinschuldners den bisher beiderseits noch nicht (vollständig) erfüllten zweiseitigen Vertrag erfüllt und die Erfüllung von dem anderen Teil verlangt (Abgrenzung gegenüber BFH-Urteil vom 13.11.1986, V R 59/79, BStBl II 1987, S. 226).

3. Ein und dieselbe Vorsteuer kann nicht in demselben Besteuerungszeitraum gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 zu Lasten des Steuerpflichtigen und gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993 zugunsten des Steuerpflichtigen "berichtigt" werden.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der am 1.4.1996 in Konkurs gefallenen Gemeinschuldnerin. Die Gemeinschuldnerin hatte Maschinen gebaut. Sie hatte vor Konkurseröffnung Gegenstände gekauft und hierüber Rechnungen erhalten. Der Kläger hat die Rechnungen nach Konkurseröffnung bezahlt und für die Voranmeldungszeiträume April bis September 1996 Vorsteuerbeträge in Höhe von zusammen rd. 422 000 DM geltend gemacht. Das Finanzamt meinte, der Kläger habe mit der Bezahlung der Rechnungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung lediglich die Kaufverträge erfüllt. Die Resterfüllung von Kaufverträgen durch den Konkursverwalter begründe keinen neuen Leistungsaustausch zugunsten der Masse. Der Vorsteuerabzug verbleibe deshalb bei der Gemeinschuldnerin. Das Finanzamt kürzte entsprechend die Vorsteuer in an den Kläger gerichteten Vorauszahlungsbescheiden für die Monate April bis September 1996. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt[1]. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat kann dem FG-Urteil nicht entnehmen, wann die Lieferungen, um die es hier geht, ausgeführt worden sind.

Hiervon (und von der Rechnungserteilung) hängt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs ab. Waren die Lieferungen -wovon wohl auszugehen ist - bereits vor Konkurseröffnung ausgeführt worden, stand der (späteren) Gemeinschuldnerin der Vorsteuerabzug bereits vor Konkurseröffnung zu; nach den Feststellungen des FG waren ihr die Lieferungen bereits vor Konkurseröffnung in Rechnung gestellt worden. Durch die Bezahlung der Kaufpreisschulden erfolgte keine erneute Lieferung der Gegenstände im Zeitpunkt der Bezahlung[2]. Entgegen den Voranmeldungen des Klägers stand der Gemeinschuldnerin dann nach Konkurseröffnung nicht noch einmal der Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG zu.

2. Die Feststellungen des FG erlauben dem Senat keine abschließende Entscheidung, ob das FG zu Recht eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG bejaht hat. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG kommt auch infolge Konkurseröffnung über das Vermögen des Schuldners in Betracht. Die der Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers und dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zugrunde liegenden Forderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner werden im Augenblick der Konkurseröffnung unbeschadet einer möglichen Konkursquote in voller Höhe uneinbringlich[3]. Eine derartige Berichtigung der Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer und der Vorsteuer beim Leistungsempfänger kommt jedoch nicht in Betracht, wenn dem Umsatz ein zweiseitiger Vertrag zugrunde liegt, der zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens von dem Gemeinschuldner und von dem anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt war, falls der Konkursverwalter gemäß § 17 KO anstelle des Gemeinschuldners den Vertrag erfüllt und die Erfüllung von dem anderen Teil verlangt. In einem derartigen Fall kann von einer Uneinbringlichkeit der Forderung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung keine Rede sein. Der Senat hat zwar entschieden[4], dass auch bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt die nicht erfüllten Lieferantenforderungen unbeschadet § 17 KO im Zeitpunkt der Konkurseröffnung uneinbringlich werden. Für den Fall, dass der Konkursverwalter gemäß § 17 KO die Vertragserfüllung wählt, hält der Senat hieran aber nicht mehr fest.

Entfällt die Vorsteuerberichtigung mangels Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung bei Konkurseröffnung[5], entfällt auch eine weitere Vorsteuerberichtigung infolge nachträglicher Vereinnahmung des Entgelts[6].

Auch wenn kein Fall des § 17 KO vorlag, scheidet jedenfalls für den Voranmeldungszeitraum April 1996 eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG aus. Ein und dieselbe Vorsteuer kann nicht in demselben Besteuerungszeitraum gemäß § 1...

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