Leitsatz

  1. Leistungen, die eine AG (Publikumsgesellschaft) mit dem Unternehmensgegenstand "Erwerb, Verwaltung und Verwertung von Immobilien, Wertpapieren, Beteiligungen sowie Vermögensanlagen" im Zusammenhang mit der Ausgabe stiller Beteiligungen bezieht, werden nur insoweit i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG"für das Unternehmen" der AG – und nicht für ihren nichtunternehmerischen Bereich – ausgeführt, als die AG unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig ist.
  2. Erbringt die AG sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Ausgangsumsätze, sind die in ihren unternehmerischen Bereich entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG entsprechend dem Verhältnis der ausgeführten steuerfreien Ausgangsumsätze zu ihren steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen (Umsatzschlüssel) aufzuteilen.
  3. Eine Vorsteueraufteilung nach einem "Investitionsschlüssel" ist nicht statthaft.
 

Sachverhalt

Die V-AG kaufte, verwaltete und verwertete Immobilien, Wertpapiere, Beteiligungen sowie Vermögensanlagen jeglicher Art. Das hierfür erforderliche Kapital erwarb sie durch die Ausgabe von Aktien und atypisch stillen Beteiligungen, wobei sie in Art einer Publikumsgesellschaft eine Vielzahl stiller Gesellschafter aufnahm. Im Streitjahr 1994 führte sie – ohne Berücksichtigung der Ausgabe der Aktien und der stillen Beteiligungen – steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 2959800 DM und steuerfreie Umsätze in Höhe von 3520206 DM aus; der Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an den steuerbaren Umsätzen betrug damit 45,68 %. Im Zusammenhang mit der Ausgabe stiller Beteiligungen bezog die V-AG verschiedene Leistungen; hierauf entfiel Umsatzsteuer in Höhe von 4171424 DM.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1994 setzte die V-AG Vorsteuerbeträge, die nicht unmittelbar bestimmten Ausgangsumsätzen zuzurechnen waren, mit einem abziehbaren Anteil von 94,12 % an. Diesen Prozentsatz hatte sie durch Anwendung eines "Investitionsschlüssels" nach dem Verhältnis der Nettoinvestitionen im unternehmerischen und nichtunternehmerischen Bereich im Anlagevermögen ermittelt. Die Ausgabe atypisch stiller Beteiligungen behandelte sie als nicht steuerbaren Vorgang. Das Finanzamt ließ dagegen die Vorsteuerbeträge, die auf die Ausgabe stiller Beteiligungen entfielen, gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG nicht zum Abzug zu. Im Übrigen erkannte es den mit dem Umsatzschlüssel von 45,68 % ermittelten Anteil an. Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG hielt zwar weder den vom Finanzamt angesetzten Umsatzschlüssel noch den von der V-AG angewandten Investitionsschlüssel für sachgerecht. Es kam aber aufgrund eines abgewandelten Investitionsschlüssels zur Klageabweisung.

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe stiller Beteiligungen durfte nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG versagt werden. Denn nach dem EuGH-Urteil vom 26.6.2003[1] und der Nachfolgeentscheidung des BFH vom 1.7.2004[2] erbringt eine Gesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt, also keinen steuerbaren Umsatz. Die Ausgabe der Anteile kann somit nicht als vorsteuerabzugsschädlicher steuerfreier Umsatz behandelt werden.

Nach den bisherigen Feststellungen ist allerdings unklar, in welchem Umfang die Leistungen, die die V-AG im Zusammenhang mit der Ausgabe stiller Beteiligungen bezogen hat, "für das Unternehmen" der V-AG i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG – und nicht für ihren nichtunternehmerischen Bereich – ausgeführt wurden und inwieweit die V-AG diese Leistungen für besteuerte Ausgangsumsätze verwendet hat. Es kommt laut BFH "ernsthaft in Betracht", dass die V-AG (auch) einen nicht unternehmerischen Bereich hat. Konkrete Ausführungen zu den Kriterien für diesen nicht unternehmerischen Bereich enthält das Urteil nicht.

Der BFH äußerte aber Zweifel daran, wie weit der Anwendungsbereich der EuGH-Rechtsprechung reicht. Eine Vorlage an den EuGH zur Klärung dieser Zweifel verneinte er im derzeitigen Verfahrensstadium unter Hinweis auf den Aufklärungsbedarf zum entscheidungserheblichen Sachverhalt.

Ferner verwarf der BFH die Auffassung des FG, die im Streitfall gebotene Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG sei nach einem "Investitionsschlüssel" vorzunehmen. Maßgebend – und richtlinienkonform – ist vielmehr das Verhältnis der von der V-AG ausgeführten steuerfreien Ausgangsumsätze zu ihren steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen.

 

Praxishinweis

Der BFH und wohl auch die Praxis hat offensichtlich Zweifel hinsichtlich der "Eingrenzbarkeit" des Vorsteuerabzugsrechts in solchen Fällen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH besteht einerseits für Umsätze, die nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie fallen, kein Vorsteuerabzugsrecht, andererseits bleiben solche Umsätze bei der Berechnung des Prozentsatzes für den Vorsteuerabzug i.S. der Art. 17 und 19 der 6. EG-Richtlinie...

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