Leitsatz

  1. Wechselt der Organträger infolge einer Veräußerung der Anteile an der Organgesellschaft zeitlich nach dem Bezug einer Leistung durch die Organgesellschaft, aber noch vor Erhalt der Rechnung, steht das Recht zum Vorsteuerabzug aus diesem Leistungsbezug nicht dem neuen Organträger zu.
  2. Die Berechtigung des Organträgers zum Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen der Organgesellschaft richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs, nicht der Rechnungserteilung.
 

Konsequenzen für die Praxis

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 sind eine Lieferung oder sonstige Leistung für das Unternehmen und der Besitz einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG materiell-rechtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf den Abzug von Vorsteuern.

Gemeinschaftsrechtlich wird unterschieden zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und der Ausübung dieses Rechts.

Nach Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, sobald die Lieferung des Gegenstands bewirkt wird. Die Ausübung dieses Rechts ist i.d.R. an den Besitz der Rechnung geknüpft (Art. 18 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie).

Bislang war noch nicht höchstrichterlich entschieden, wem der Vorsteueranspruch zusteht, wenn der Organträger zwischen dem Zeitpunkt des Leistungsbezugs durch die Organgesellschaft und dem Zeitpunkt der Rechnungserteilung an diese wechselt.

Wie ausgeführt, entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Bei Vorliegen einer Organschaft entsteht dieses Recht nicht bei der Organgesellschaft, sondern beim Organträger. Denn bei einer Organschaft ist die Organgesellschaft nicht selbstständig (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UStG) und damit keine Unternehmerin; Lieferungen oder sonstige Leistungen an sie werden umsatzsteuerrechtlich dem Organträger zugerechnet[1].

Dementsprechend ist der Anspruch auf Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs bei dem Organträger entstanden. Eine spätere Veräußerung der Anteile an der Organgesellschaft kann daran nichts ändern. Die Rechnung folgt dem Leistungsbezug nach und setzt diesen voraus, ist also (nur) akzessorisch. Das spricht dafür, dass sich die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs richtet.

Der bisherige Organträger kann sein Recht aus der später ausgestellten Rechnung auch ausüben. Denn die Rechnung ist – wie vor dem Organträgerwechsel – an die Organgesellschaft gerichtet. Die Zuordnung zum früheren Organträger kann aus der Rechnung abgeleitet werden, da der Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG in dieser anzugeben ist.

Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz. Denn dieser gebietet nicht, dass dem Empfänger einer Rechnung der Vorsteuerabzug unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs allein deshalb zu gewähren ist, weil die USt in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist[2].

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 13.5.2009, XI R 84/07, BFH/NV 2009 S. 1562

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