Leitsatz

Leistungen, die ein Erschließungsträger in der Rechtsform einer GmbH zur Herstellung von öffentlichen Erschließungsanlagen bezieht, werden für die durch Erschließungsvertrag gemäß § 124 BauGB geschuldete Erschließungsleistung dieser GmbH verwendet.

 

Sachverhalt

Eine GmbH, deren Mehrheitsgesellschafterin eine Gemeinde war, erwarb, erschloss und vermarktete Grundstücke in Entwicklungsgebieten der Gemeinde. Im April 1994 kaufte sie von der Gemeinde Grundbesitz in einem Gewerbegebiet zu einem Festpreis und verpflichtete sich, das Gewerbegebiet entsprechend dem noch zu bestätigenden Bebauungsplan bis Dezember 1996 zu erschließen und die Flächen, auf denen öffentliche Erschließungsanlagen zu errichten waren, zum vereinbarten Ankaufspreis auf die Gemeinde zu übertragen. Ein Ausgleich für die durch die Erschließung eingetretene Wertsteigerung sollte nicht erfolgen. Die Erschließungskosten sollte die GmbH tragen. Im Februar 1995 verpflichtete sich die Gemeinde, den ihr bewilligten Zuschuss aus der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" der GmbH für die von ihr durchzuführenden Erschließungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Der Zuschuss wurde in den Jahren 1995 und 1996 ausbezahlt.

Die erschlossenen Grundstücke veräußerte die GmbH unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ab 1995 an gewerbliche Investoren. Die Grundstücksflächen, auf denen Erschließungsanlagen zu errichten waren, übertrug die GmbH 1995 zu vereinbarten Kaufpreisen auf die Gemeinde.

Strittig ist der Vorsteuerabzug aus den Erschließungskosten, u.a., inwieweit die GmbH steuerpflichtige und steuerfreie Grundstückslieferungen als Verwendungsumsätze ausgeführt hat, und ob der Zuschuss ein Entgelt der Gemeinde ist. Das FG gab der Klage lediglich insoweit statt, als das Finanzamt die Vorsteuerbeträge der Jahre 1995 und 1996 gekürzt hatte. Das Finanzamt legte Revision ein, die zur Zurückverweisung der Sache an das FG führte.

 

Entscheidung

Die streitigen Vorsteuerbeträge für die zur Herstellung der öffentlichen Erschließungsanlagen bezogenen Leistungen sind in voller Höhe abziehbar. Die GmbH hat diese Leistungsbezüge nur zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet.

Das FG ist zum selben Ergebnis gekommen. Es hat aufgrund eines "Prinzips der wirtschaftlichen Zurechnung von Eingangsumsätzen mit Vorrang einer wirtschaftlichen Denkweise vor einer sog. gegenständlichen Zurechnung" darauf abgestellt, der unternehmerische Erfolg der GmbH bestehe im (steuerpflichtigen) Verkauf der Baugrundstücke an Dritte und nicht in der (steuerfreien) Übertragung erschlossener öffentlicher Grundstücke auf die Gemeinde. Diese "Zurechnung" ist nicht mit den geltenden Grundsätzen vereinbar: Entscheidend ist, inwieweit die (vorsteuerbelasteten) Aufwendungen für den Bezug der Eingangsumsätze Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind[1].

"Ausgangs- oder Verwendungsleistung" der GmbH war die Übernahme der Erschließung für die Gemeinde, also die Herstellung der Erschließungsanlagen auf dafür vorgesehenen Grundstücken, nicht aber die jeweilige Übertragung der Grundstücke (auch nicht der Grundstücke, auf denen sich die Erschließungsanlagen befanden, wie das FA annahm).

Diese Leistung (Übernahme der Erschließung) war angesichts des Zuschusses als Gegenleistung entgeltlich und steuerpflichtig. Anders als in dem mit Urteil vom 20.12.2005[2] entschiedenen Fall, in dem die Gemeinde den Zuschuss für die Erschließung sämtlicher Grundstücke bezahlt hatte, beschränkte sich die Leistungsübertragung auf die GmbH auf die Herstellung von öffentlichen Erschließungsanlagen auf dafür vorgesehenen Grundstücken und umfasste keine Leistungen auf den für gewerbliche Investoren vorgesehenen Grundstücken.

Der Umsatz der GmbH an die Gemeinde infolge der Erschließungsleistung bemisst sich nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1993 nach den Kosten, die bei dessen Ausführung dieses Umsatzes entstanden sind; denn der Zuschuss der Gemeinde als Gegenleistung deckte die Erschließungskosten nicht ab.

Bemessungsgrundlage für die nach Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1993 steuerpflichtigen Grundstücksverkäufe an die gewerblichen Investoren ist der in der Rechnung ausgewiesene Kaufpreis. Dass die GmbH den vom Investor an sie schließlich zu zahlenden Betrag um den anteiligen Zuschuss vermindert hat, berührt die Kaufpreisvereinbarung – entgegen der Auffassung des Finanzamts, der anteilige Zuschuss sei abzuziehen – nicht. In die Bemessungsgrundlage für die Übertragung der Grundstücke an die Investoren ist nicht die Hälfte der Grunderwerbsteuer einzubeziehen[3]. Da die GmbH den Erwerbern jedoch Umsatzsteuer auf den Kaufpreis und die hälftige Grunderwerbsteuer in Rechnung gestellt hat, schuldet sie diese nach § 14 Abs. 2 UStG 1993.

 

Praxishinweis

Das Besprechungsurteil enthält eine gewisse Korrektur zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Erschließungsleistungen durch "ausgelagerte" kommunale Unternehmen, die auf einem etwas deutlicheren Sachver...

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