Leitsatz
- Eine Personengesellschaft, deren alleiniger Zweck es ist, ein Gebäude zu errichten und zu vermieten, und die im Zusammenhang mit ihrer Gründung und der Aufnahme von Gesellschaftern rechtlich beraten wird, bezieht die Beratungsleistungen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG für ihr Unternehmen.
- Eine Personengesellschaft erbringt bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage an diesen keinen steuerbaren Umsatz und damit auch keinen nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreien Umsatz.
- Der Vorsteuerabzug für die rechtliche Beratung der Gesellschaft anlässlich ihrer Gründung ist nicht nach § 15 Abs. 2 UStG oder Art. 17 der 6. EG-Richtlinie ausgeschlossen. Entscheidend ist, dass die Kosten der bezogenen Beratungsleistungen allgemeine Kosten des Unternehmens sind und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers zusammenhängen.
Problematik
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beabsichtigte, ein Erbbaurecht an einem Grundstück in einem Einkaufszentrum zu erwerben, das Grundstück zu bebauen und das Gebäude steuerpflichtig zu vermieten. Die GbR sollte als geschlossener Immobilienfonds geführt werden; es sollten weitere Gesellschafter aufgenommen werden.
1991 beteiligte sich ein Gesellschafter (C) mit einer Einlage in Höhe des Gesamtbetrages von 38.402.000 DM. Ebenfalls noch 1991 stellte ein Rechtsanwalt der GbR für rechtliche Beratung einschließlich Vertragsgestaltung 75.000 DM zuzüglich 10.500 DM gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung, wobei die rechtliche Beratung das Fondskonzept sowie die Gesellschaftsgründung betraf.
Den entsprechend für 1991 geltend gemachten Vorsteuerabzug versagte das Finanzamt unter Berufung auf § 15 Abs. 2 und § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG.
Im Revisionsverfahren stellte der BFH mit Beschluss v. 27.9.2001 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, das dieser mit Urteil v. 26.6.2003 beantwortete.
Entscheidung des BFH
Der beantragte Vorsteuerabzug steht der GbR nach § 15 UStG zu. Die berechneten Beratungsleistungen wurden für das Unternehmen der GbR ausgeführt, denn sie betrafen die (beabsichtigte) Errichtung und Vermietung des Einkaufszentrums (Leitsatz 1).
Der Vorsteuerabzug ist auch nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Denn die GbR hat die rechtliche Beratung ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze und nicht (auch) zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Wie der EuGH in der vorliegenden Sache entschieden hat, erbringt eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt. Die GbR hat dann mit der Aufnahme des C somit keinen nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreien Umsatz getätigt (Änderung der Rechtsprechung, Leitsatz 2).
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bleiben Einnahmen aus nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs i. S. der Art. 17 und 19 der 6. EG-Richtlinie unberücksichtigt. Sie mindern also den Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht, auch wenn für sie kein Vorsteuerabzugsrecht besteht.
Nach dem Urteil "EDM" v. 29.4.2004 erhält ein Steuerpflichtiger mit besteuerten Umsätzen - wie im Streitfall - grundsätzlich den Vorsteuerabzug auch für Dienstleistungen beim Erwerb einer Beteiligung, obwohl der Erwerb der Beteiligung an und für sich keine wirtschaftliche Tätigkeit ist.
Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um den Erwerb einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, sondern um die Beteiligung eines Gesellschafters an der unternehmerisch tätigen Gesellschaft. Laut EuGH gelten jedoch für den Erwerb einer Beteiligung an einer Gesellschaft und der "Veräußerung" einer derartigen Beteiligung dieselben Grundsätze.
Diese Kosten für die rechtliche Beratung einer Gesellschaft (Immobilienfonds), die das Fondskonzept sowie die Gesellschaftsgründung betrifft, sind allgemeine Kosten der Gesellschaft und ihrer gesamten wirtschaftlichen Betätigung (hier: der steuerpflichtigen Vermietung des Gebäudes) zuzurechnen.
Da die GbR lediglich steuerpflichtige Umsätze tätigte oder jedenfalls zu tätigen beabsichtigte, kann sie den vollen Vorsteuerabzug für die Beratungsleistungen des Rechtsanwalts beanspruchen.
Konsequenzen für die Praxis
Nachdem der BFH zunächst eine abschließende Entscheidung des Falles im Hinblick auf eine - nach dem im vorliegenden Verfahren ergangenen EuGH-Urteil - österreichische EuGH-Vorlage verschob, hielt er aufgrund des neuen "EDM"-Urteils des EuGH (s. o) den Fall für entscheidungsreif.
Die Entscheidung bringt eine weitreichende Umstellung der Vorsteuerabzugsgrundsätze bei Unternehmen mit sich, die neben ihrer "besteuerten" unternehmerischen Tätigkeit auch Leistungen ausführen, die nicht steuerbar sind: die Ausgabe von Beteiligungen gegen Einlage, das Halten von Beteiligungen, die Dividende abwerfen, aber auch unentgeltliche Umsätze für Zwecke des Unternehmens, ...