Leitsatz
Eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft (sog. Vorgründungsgesellschaft), die nach Gründung der Kapitalgesellschaft die bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an diese veräußert und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte, ist zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen ungeachtet dessen berechtigt, dass die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Maßgebend sind insoweit die beabsichtigten Umsätze der Kapitalgesellschaft.
Sachverhalt
Die am 1.10.1996 gegründete F-GbR hatte als Vorgründungsgesellschaft den einzigen Gesellschaftszweck, die Gründung der F-AG vorzubereiten. Hierzu mietete sie Büroräume an, erwarb Anlagegüter und ließ in den Büroräumen Einbauten durchführen. Außerdem betrieb sie Werbung für die noch zu gründende AG. Nach der Gründung der AG am 28.11.1996 stellte sie ihre Tätigkeit ein und übertrug in Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks die gesamten zuvor erworbenen Gegenstände laut Rechnung vom 1.12.1996 zum Kaufpreis von 87495 DM auf die AG. Die AG konnte ohne weiteres Zutun ihre unternehmerische Tätigkeit in den von der GbR angemieteten und eingerichteten Büroräumen aufnehmen.
Die GbR behandelte den Vorgang als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. Die ihr für die in Anspruch genommenen Leistungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer machte sie erfolglos als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt verneinte ihre Unternehmereigenschaft, weil ihr einziger – beabsichtigter – Ausgangsumsatz die nach § 1 Abs. 1a UStG nicht als Lieferung zu behandelnde Geschäftsveräußerung war. Gegen das stattgebende Urteil des FG wandte sich das Finanzamt mit der Revision.
Entscheidung
Der BFH holte im Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des EuGH ein und entschied auf dieser gemeinschaftsrechtlichen Basis entsprechend dem Leitsatz.
Praxishinweis
Der Fall betrifft nur die Problematik der Kapitalgesellschaftsgründung nach deutschem Zivil- bzw. Handelsrecht über die Stationen Vorgründungsgesellschaft, Gründungsgesellschaft und Kapitalgesellschaft, das eine Rechtsnachfolge der Gründungs- oder Kapitalgesellschaft zur Vorgründungsgesellschaft verneint. Letztgenannte muss somit zivilrechtlich die von ihr erworbenen Gegenstände auf die Folgegesellschaft übertragen. Um umsatzsteuerrechtliche Neutralität zu ereichen, ist grundsätzlich erforderlich, dass die GbR Unternehmereigenschaft hat und durch steuerbare Leistung an die Gründungsgesellschaft liefert. Das ist schwer zu begründen. Die – nach dem Mehrwertsteuersystem zwingend gebotene – Lösung folgt aus der "Geschäftsveräußerung" nach § 1 Abs. 1a UStG. Diese ist selbst zwar kein steuerbarer Umsatz. Sie statuiert aber eine umsatzsteuerliche Rechtsnachfolge, so dass der Vorsteuerabzug der GbR aus den von ihr beanspruchten Gründungsinvestitionen nach Maßgabe der Verwendungsumsätze der Gründungs- bzw. Kapitalgesellschaft folgt. Ob die "Geschäftsveräußerung" entgeltlich oder unentgeltlich ist, dürfte keine Rolle spielen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 15.7.2004, V R 84/99