Leitsätze (amtlich)

  1. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15 UStG gilt als (vorsteuerabzugsberechtigter) Unternehmer bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt. Zu prüfen ist, ob die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende unternehmerische Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird. Insoweit ist jeweils der Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs maßgeblich, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (vgl. Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG).
  2. Wird bereits während der Bauphase eines Gebäudes anstelle der zunächst beabsichtigten steuerpflichtigen eine steuerfreie Vermietung angestrebt, kann dies gegen die Möglichkeit des Abzugs der Steuer auf die nach Absichtsänderung bezogenen Bauleistungen als Vorsteuer jedenfalls dann sprechen, wenn diese geänderte Absicht anschließend realisiert wird. Wird dagegen später eine steuerfreie Veräußerung des Mietgebäudes angestrebt (und durchgeführt), ergibt sich daraus kein (beabsichtigter) Verwendungsumsatz i.S. von § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn eine Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG vorliegt.
 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, wurde am 1.1.1992 gegründet, um ein bestimmtes Grundstück in H zu kaufen, zu bebauen und zu vermieten. Dieses Grundstück erwarb die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 6.8.1992 im Zustand der Bebauung. Der Kaufpreis betrug 1015 000 DM zuzüglich USt für das Grundstück und zusätzlich 3 278 376 DM zuzüglich USt für die Bausubstanz. Die GbR stellte das Bürogebäude bis 1993 fertig. Bereits in der Bauphase bemühte sie sich um die Vermietung an gewerbliche Mieter. Nachdem sie auch keine teilweise Vermietung erreichte, veräußerte sie das Bürogebäude mit Vertrag vom 1.7.1996 an eine Grundstücksgesellschaft in M. Nach den Feststellungen des FG war das Gebäude zur Zeit der Vorentscheidung (13.11.1997) noch nicht vermietet. Nachdem die Klägerin keine Vermietungsumsätze ausführte, versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug mangels Unternehmereigenschaft und setzte die USt für die Streitjahre 1992 bis 1995 entsprechend fest. Das FG wies die Klage ab[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Für Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug gelten die Auslegungsgrundsätze der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 17 und 20 der Richtlinie 77/388/EWG[2].

Das FG ist zutreffend von der Unternehmereigenschaft der Klägerin bei Bezug der Bauleistungen in den Streitjahren ausgegangen. Es hat ferner festgestellt, dass die Klägerin beabsichtigte, Vermietungsumsätze an gewerbliche Mieter auszuführen, also Umsätze, die nach Option steuerpflichtig sind[3] und als "besteuerte" Verwendungsumsätze i.S. von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und § 15 Abs. 2 UStG zum Vorsteuerabzug führen. Die Absicht, solche nach Option steuerpflichtige Verwendungsumsätze auszuführen, kann nicht mit der Begründung als - für das Recht auf Vorsteuerabzug - unbeachtlich behandelt werden, ohne tatsächliche Ausführung des Verwendungsumsatzes sei ein Verzicht auf dessen Steuerfreiheit unzulässig[4]. Da das Recht auf Vorsteuerabzug mit dem jeweiligen Leistungsbezug entsteht, und da sich auch der Umfang des Rechts nur nach der im jeweiligen Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs beabsichtigten oder, falls schon vorhanden, tatsächlichen Verwendung richtet, kommt es nicht auf die Veräußerung des bebauten Grundstücks im Jahr 1996 als erstmalige tatsächliche Verwendung - und auf die hauptsächlich erörterte Beurteilung als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG - an. Denn diese liegt außerhalb der Streitjahre, für die die Klägerin Vorsteuerabzug beansprucht. Das Urteil war daher aufzuheben.

Maßgebend ist vielmehr, ob die Klägerin bei der Inanspruchnahme der Bauleistungen in den Jahren 1992 bis 1995 durchgehend die Absicht hatte, diese zur Ausführung besteuerter Vermietungsumsätze zu verwenden. War dies der Fall, steht ihr der beanspruchte Vorsteuerabzug in diesen Jahren voll zu. Sollte die Klägerin z.B. bereits 1995 ihre Absicht zu steuerpflichtiger Vermietung geändert und eine steuerfreie Vermietung an die öffentliche Hand ins Auge gefasst haben, müsste geprüft werden, ob sie bei den Leistungsbezügen jedenfalls nach einer solchen "Absichtsänderung" noch - objektiv belegbar - in gutem Glauben erklärt haben könnte, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen zu wollen. Allerdings dürfte eine relevante Absichtsänderung dieser Art regelmäßig nur bei anschließender entsprechender tatsächlicher Verwendung anzunehmen sein. Soweit die Klägerin noch im Streitjahr 1995 die Absicht zur steuerfreien Veräußerung des Gebäudes gefasst haben sollte, könnte zwar eine Absichtsänderung zu erstmaliger steuerfreier Verwendung angenommen werden, die - ab diesem...

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?