Leitsatz
- Ein Unternehmer, der einen PKW zur gemischten (teils unternehmerischen und teils nichtunternehmerischen) Nutzung erwirbt, und diesen seinem Unternehmen zuordnet, kann im Besteuerungszeitraum 1999 den vollen Vorsteuerabzug beanspruchen.
- Der Steuerpflichtige kann sich im Besteuerungszeitraum 1999 gegenüber den Vorschriften des § 15 Abs. 1b i.V.m. § 27 Abs. 3 UStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 unmittelbar auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG berufen, weil Art. 3 der Entscheidung des Rates vom 28.2.2000 (2000/186/EG) zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland, von Art. 6 und Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG abweichende Regelungen einzuführen, ungültig ist, soweit er die rückwirkende Geltung der Ermächtigung ab dem 1.4.1999 vorsieht.
Sachverhalt
Ein Unternehmer erwarb im April 1999 einen PKW, den er seinem Unternehmen zuordnete und zu 70 % für unternehmerische bzw. zu 30 % für unternehmensfremde Zwecke nutzte. In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 1999 machte er die gesamte Umsatzsteuer aus dem Kauf des PKW als Vorsteuer geltend, weil die ab 1.4.1999 geltende Neuregelung des § 15 Abs. 1b UStG nach seiner Auffassung gegen Gemeinschaftsrecht verstieß. Das Finanzamt berücksichtigte nur 50 % der Vorsteuer als abziehbar. Die Klage hatte Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts legte der BFH dem EuGH dazu Vorabentscheidungsfragen vor, die der EuGH mit Urteil vom 29.4.2004 beantwortet hat. Danach war die Rückwirkung der Ermächtigung des Rates der EU vom 28.2.2000 auf den 1.4.1999 zur Einführung des § 15 Abs. 1b UStG mit der Vorsteuerabzugsbegrenzung von 50 % auf Anschaffung, Miete und Betrieb von Fahrzeugen unwirksam. Inhaltlich beurteilte der EuGH die Ermächtigung zu der Maßnahme hingegen als wirksam.
Entscheidung
Aufgrund des EuGH-Urteils steht dem Unternehmer im Streitjahr 1999 abweichend von § 15 Abs. 1b i.V.m. § 27 Abs. 3 UStG der volle Vorsteuerabzug für das im April 1999 erworbene, ganz dem Unternehmen zugeordnete Fahrzeug zu. Ohne wirksame Ermächtigung nach Art. 27 Abs. 1 bis 4 der 6. RL war eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs als Sondermaßnahme, wie sie in § 15 Abs. 1b UStG geregelt ist, nicht mit der allgemeinen Vorsteuerabzugsregelung in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 und 2 der 6. RL vereinbar. Die gilt bis zur Veröffentlichung der Ermächtigungsentscheidung des Rats am 4.3.2000. Der Unternehmer konnte sich deshalb auf das für ihn günstigere Gemeinschaftsrecht in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. RL berufen.
Die private Verwendung des Fahrzeugs unterliegt nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG dem Grunde nach der Umsatzsteuer. Danach werden einer sonstigen Leistung gegen Entgelt (u.a.) gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen.
Praxishinweis
Für die Anwendung der Vorsteuerabzugsbeschränkung des § 15 Abs. 1b UStG 1999 gelten folgende Grenzen:
- Die zum 1.4.1999 eingeführte Regelung wurde ab 1.1.2004 durch das StÄndG 2003 ersatzlos aufgehoben.
- Da die vom Rat der EU erteilte Ermächtigung dafür ohnehin nur bis 31.12.2002 galt, kann sich jeder Unternehmer ab 1.1.2003 auf die für ihn günstigere allgemeine Vorsteuerabzugsregel des Art. 17 der 6. RL berufen.
- Die EuGH- und die BFH-Entscheidung betreffen nur die Zeit vom 1.4.1999 bis 4.3.2000. Unternehmer, die in diesem Zeitraum ein Fahrzeug zur gemischten Nutzung mit einem unternehmerischen Anteil von mindestens 10 % erworben haben, fallen daher unter die allgemeinen Vorsteuerabzugsregeln. Sie konnten das Fahrzeug insgesamt dem Unternehmen zuordnen, erhielten den vollen Vorsteuerabzug, mussten aber den Eigenverbrauch versteuern. Die dem entgegenstehende Regelung in § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG i.d.F. bis 31.12.2003 wurde ebenfalls von der Unwirksamkeit der rückwirkenden Ermächtigung erfasst.
Das Urteil wirkt nur, soweit die Steuerfestsetzungen für 1999 bzw. 2000 angefochten wurden. Das war nur sinnvoll, wenn die unternehmerische Nutzung über 50 % lag und nachgewiesen werden konnte.
Das BMF hat inzwischen auf die Entscheidung reagiert und zu Einzelfragen des Übergangs sowie zur Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Privatnutzung Stellung genommen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 15.7.2004, V R 30/00