Leitsatz

Zur unternehmerischen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1980/1991 der Deutschen Bundespost/TELEKOM vor bzw. nach In-Kraft-Treten des PostStruktG.

 

Sachverhalt

Eine Grundstücke und Wohnungen verwaltende GbR vermietete der TELEKOM mit Vertrag vom Mai 1990 ein noch zu errichtendes mehrgeschossiges Bürogebäude für den beabsichtigten Betrieb einer Fernmeldefachschule und als Büro. Das Gesamtobjekt wird zu 87 % von der TELEKOM, zu 13 % von anderen Unternehmen genutzt. Das Finanzamt kürzte für 1990 bis 1992 die von der GbR geltend gemachte Vorsteuer auf die Gebäudeherstellungskosten um 87 %, weil die TELEKOM das Objekt nicht zu unternehmerischen Zwecken nutze. Die TELEKOM sei nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG in der gemäß § 28 Abs. 1 UStG vom 1.7.1990 bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung nur insofern Unternehmerin, als sie Endstelleneinrichtungen überlasse und in Stand halte. Die auf die Mietumsätze gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer schulde die GbR nach § 14 Abs. 3 UStG. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks folgender Prüfung:

Der GbR stand der Vorsteuerabzug aus den Baukosten zu, wenn sie das Gebäude nicht zur steuerfreien Vermietung verwendete. Da die GbR die Umsatzsteuer im Mietvertrag offen ausgewiesen hatte, beabsichtigte sie, nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG zu verzichten. Der Verzicht war nur dann wirksam, wenn die TELEKOM ab Beginn der Nutzungsüberlassung als Unternehmerin in Betracht kam. Feststellungen zum Beginn der vereinbarten Nutzung fehlten. Dazu gilt:

Von 1990 bis 1992 war die TELEKOM als Sondervermögen des Bundes[1] eine Körperschaft des öffentlichen Rechts; der Bundesminister für Post und Telekommunikation übte die Rechte des Bundes auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens aus. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Die in den Streitjahren geltenden Sonderregelungen für den Telekommunikationsbereich in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG machten die TELEKOM nicht zum – unternehmerischen – Betrieb gewerblicher Art insgesamt, sondern nur für "die Überlassung und Unterhaltung von Fernsprech-Nebenstellenanlagen bzw. Endstelleneinrichtungen". Dafür nutzte die TELEKOM das Gebäude nicht.

Damit war die Unternehmereigenschaft der TELEKOM nach der allgemeinen Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG zu prüfen. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist unternehmerisch tätig, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt. Nach diesen Grundsätzen war die TELEKOM bis zum 1.7.1991 nicht unternehmerisch, sondern hoheitlich tätig. Dies ergibt sich aus den Regelungen zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens[2].

Erst mit Aufhebung der "Telekommunikationsordnung" zum 1.7.1991 wurden sowohl die bestehenden[3] als auch die entstehenden[4] Rechtsbeziehungen bei Inanspruchnahme entgeltlicher Leistungen der TELEKOM privatrechtlicher Natur. Die TELEKOM übte danach die streitigen Tätigkeiten nicht mehr im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Sonderregelungen aus. Ab diesem Zeitpunkt war sie deshalb Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG. Hinsichtlich der Vermietung des Gebäudes an die TELEKOM ab 1.7.1991 konnte die Klägerin wirksam auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verzichten und den Vorsteuerabzug für die damit zusammenhängenden Leistungen beanspruchen.

 

Praxishinweis

Der Fall zeigt umsatzsteuerrechtliche Folgen der komplizierten Privatisierung der TELEKOM. Er betrifft Unternehmer, die in den Jahren 1990 bis 1992 insbesondere Vermietungsleistungen an die Post/TELEKOM ausführten und noch "offene" Steuerverfahren hinsichtlich ihres Vorsteuerabzugs führen. Aus der Gesetzesentwicklung zur Privatisierung der TELEKOM ergibt sich, dass die TELEKOM erst ab 1.7.1991 auf privatrechtlicher (Vertrags-)Ebene gegenüber ihren Kunden tätig werden konnte. Dies ist – bei richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG – das entscheidende Kriterium für unternehmerische Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts.

Bis zum 1.7.1991 handelte die Post/TELEKOM gegenüber ihren Kunden öffentlich-rechtlich und damit nicht unternehmerisch. Bis dahin konnten Gebäudevermieter also auch nicht gem. § 9 UStG auf die Steuerfreiheit von Vermietungen an die TELEKOM verzichten. Danach konnte zur Umsatzsteuer optiert und – bei noch offenen Berichtigungszeiträumen – ein anteiliger Vorsteuerabzug aus Gebäudeherstellungskosten im Weg der Vorsteuerberichtigung geltend gemacht werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 5.2.2004, V R 90/01

[2] Poststrukturgesetz vom 8.6.1989, BGBl I 1989, S. 1026
[3] Vgl. § 65 Abs. 3 Satz 2 PostVerfG
[4] Vgl. § 9 Abs. 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen

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