Leitsatz

  1. Hat die Verwaltung in Ausfüllung des ihr zustehenden Ermessensspielraums Richtlinien erlassen, so haben die Gerichte grundsätzlich nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Richtlinien gehalten haben und ob die Richtlinien selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen.
  2. Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf prüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.
 

Sachverhalt

Der Inhaber eines landwirtschaftlichen, der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegenden Betriebs war daneben mit seiner Ehefrau Gesellschafter einer GbR, die ein der Regelbesteuerung unterliegendes landwirtschaftliches Lohnunternehmen betrieb. Die GbR hatte aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Vorsteuer abgezogen. 1990 übertrug die Ehefrau dem Landwirt unentgeltlich ihren Anteil an der GbR. Das Anlagevermögen der GbR nutzte dieser in der Folgezeit in seinem landwirtschaftlichen Betrieb.

Das Finanzamt sah hierin eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a UStG und nahm Vorsteuerberichtigungen für die Streitjahre 1990 bis 1994 vor. Der Landwirt beantragte eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen. Das Finanzamt sei verpflichtet, die Steuer in Höhe der Vorsteuerberichtigungen niedriger festzusetzen. Es habe die Billigkeits- bzw. Übergangsregelung des BMF Schreibens vom 29.12.1995[1] nicht angewandt, obwohl der vorliegende Sachverhalt darunter falle. Nach dem BMF-Schreiben sollten Rechtsfolgen aus § 15a UStG erst für Wirtschaftsgüter gelten, die nach dem 31.12.1995 erstmals verwendet worden seien. Das FG folgte der Ansicht des Landwirts.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision des Finanzamts statt. Das FG durfte die Verwaltungsanweisung im BMF-Schreiben nicht selbst auslegen, sondern hätte sie nur daraufhin prüfen dürfen, ob sich die Behörde daran gehalten hat und ob die Richtlinie selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entspricht.

 

Praxishinweis

Die Sache betrifft die Anwendbarkeit der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG beim Wechsel der Besteuerungsform, z.B. von der Regelbesteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung. Dieser Bereich ist inzwischen durch § 15a Abs. 7 UStG für nach dem 31.12.2004 ausgeführte Umsätze[2] geregelt worden. Erfasst wird nicht nur der Wechsel der Besteuerungsform durch den Unternehmer insgesamt, sondern – wie im Besprechungsurteil – auch der Wechsel eines Wirtschaftsguts von einem Regelbesteuerungs- in einen Durchschnittssatzbetriebsteil.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 24.11.2005, V R 37/04

[1] Vgl. BMF-Schreiben vom 29.12.1995, IV C 3 – S 7316 – 31/95, BStBl I 1995, S. 831, Abs. 3, 5 zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bei Land- und Forstwirten; Auswirkungen des sog. Mähdrescher-Urteils des BFH vom 16.12.1993, V R 79/91, BStBl II 1994, S. 339

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