Leitsatz (amtlich)

Das in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990 für Entnahmen gewährte Wahlrecht zur Buchwertfortführung (sog. Buchwertprivileg) kann auch in Anspruch genommen werden, wenn Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens beim Tod eines Gesellschafters der Personengesellschaft auf den Erben übergehen, die Gesellschaft aber aufgrund einer Fortsetzungsklausel mit den bisherigen Gesellschaftern fortgeführt wird.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreite Stiftung. Sie wurde Erbin der 1993 verstorbenen Kommanditistin K. Die KG wurde entsprechend einer Fortsetzungsklausel von den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt. Der von den verbliebenen Gesellschaftern der K geschuldete Abfindungsanspruch sowie das Sonderbetriebsvermögen der K gingen auf die Klägerin über. Das Finanzamt meinte, die im Sonderbetriebsvermögen ruhenden stillen Reserven seien anlässlich des Erbfalls aufzudecken und ein Aufgabegewinn zu versteuern. Die Klägerin meinte dagegen, dass das Sonderbetriebsvermögen gewinnneutral auf sie übergegangen sei, weil sie eine durch das Buchwertprivileg des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990[1] begünstigte Körperschaft sei. Das FG wies die Klage ab[2]. Die Revision hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Ist - wie im Streitfall - im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft vereinbart, dass beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird (Fortsetzungsklausel), so wächst der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern an[3]. Hat der verstorbene Gesellschafter Anspruch auf eine Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen, handelt es sich steuerrechtlich um eine entgeltliche Veräußerung des Mitunternehmeranteils i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG; ein dadurch entstehender Veräußerungsgewinn ist dem verstorbenen Gesellschafter zuzurechnen[4]. Gehörte zu dem veräußerten Mitunternehmeranteil Sonderbetriebsvermögen, so wird dieses mit dem Tod zwangsweise in das Privatvermögen des verstorbenen Gesellschafters überführt, soweit die Erben nicht zugleich Gesellschafter der fortgeführten Gesellschaft sind[5]. Insoweit gilt nichts anderes als im Falle einer qualifizierten Nachfolgeklausel, bei der ebenfalls der Mitunternehmeranteil auf einen anderen Rechtsnachfolger übergeht als das Sonderbetriebsvermögen[6]. Während sich dieses Ergebnis aber bei der qualifizierten Nachfolgeklausel daraus ergibt, dass die Entnahme nur zu einer Teilaufdeckung der stillen Reserven führt, lässt sich die Bewertung der Entnahme des Sonderbetriebsvermögens mit dem Teilwert im Zusammenhang mit einer Fortsetzungsklausel nicht mit dieser Begründung rechtfertigen; denn die Entnahme hat hier die vollständige Realisierung der stillen Reserven des Mitunternehmeranteils zur Folge, wenn der verstorbene Gesellschafter aus der Gesellschaft gegen eine Abfindung ausscheidet.

Dabei kann der Übergang des Sonderbetriebsvermögens unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990 gewinnneutral gestaltet werden. Er ist dann zwar Teil eines betriebsaufgabeähnlichen Vorgangs; er bleibt seinem steuerrechtlichen Charakter nach aber eine (Zwangs-)Entnahme durch Rechtsakt; denn der gesamte Vorgang stellt sich dann - wie jede Betriebsaufgabe - als Gesamtentnahme des Sonderbetriebsvermögens durch den Gesellschafter dar. Diese Auslegung entspricht dem Zweck des Buchwertprivilegs. Mit ihm soll die Spendenbereitschaft gefördert und damit die wirtschaftliche Grundlage der gemeinnützigen Institutionen erweitert werden[7].

Die Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen zum Buchwert steht der Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG für den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben nicht entgegen. Zwar wurden infolge dieser Überführung anlässlich des Erbfalls nicht alle stillen Reserven des Mitunternehmeranteils aufgedeckt; die Erblasserin hat sich ihrer aber in einem Akt zusammen mit dem Gesellschaftsanteil entäußert. Dieser Sachverhalt ist nicht anders zu beurteilen als die teilentgeltliche Veräußerung eines Mitunternehmeranteils[8].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 5.2.2002 – VIII R 53/99

Anmerkung

Im Fall der sog. Fortsetzungsklausel scheidet der Gesellschafter mit seinem Tod aus der Gesellschaft aus, ohne dass die Erben in die Gesellschafterstellung nachrücken[9]. Der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst den überlebenden Gesellschaftern zu[10]. Gleichwohl entsteht noch in der Person des Erblassers ein unmittelbar danach in den Nachlass fallender schuldrechtlicher Abfindungsanspruch. Einkommensteuerlich führt das Wirksamwerden der Fortsetzungsklausel grundsätzlich zu einer entgeltlichen Veräußerung des Gesellschaftsanteils des verstorbenen Gesellschafters an die überlebenden Gesellschafter auf den Todestag. Der Veräußerungsgewinn ist dem Erblasser zuzurechnen. Umfasst der Mitunternehmeranteil des verstorbenen Gesellschafters nicht nur den Gesellschaftsanteil, sondern auch Sonderbetriebsverm...

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