Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des Fünfjahreszeitraums des § 1 Abs. 2a GrEStG liegende Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, die vor dem 1.1.1997 vorgenommen worden sind, dürfen gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht berücksichtigt werden.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, erwarb am 5.12.1995 ein Grundstück, um dort ein Gebäude zu errichten und dieses anschließend durch Vermietung zu nutzen. Bei Abschluss des Kaufvertrages waren nur die beiden Gründungsgesellschafter an der Klägerin beteiligt; diese hatten sich zu Beiträgen von je 25 000 DM verpflichtet.
Es war vorgesehen, so lange Gesellschafter aufzunehmen, bis eine Gesamtbeitragspflicht von 5 460 000 DM begründet war. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte sich die Beteiligung eines jeden Gesellschafters aus dem Verhältnis seiner Beitragspflicht zur Summe aller von den Gesellschaftern übernommenen Beitragspflichten ergeben. Bis zum 31.12.1996 traten der Klägerin weitere Gesellschafter bei, so dass bis zu diesem Zeitpunkt Beitragspflichten von 5 294 898 DM begründet worden waren, was einem Anteil von 96,975% bezogen auf die vorgesehene Summe der Beitragspflichten entsprach. 1997 trat der Klägerin ein weiterer Gesellschafter bei, der eine Beitragspflicht von 165 150 DM übernahm und damit eine Beteiligung von 3,025 % erwarb. Das Finanzamt meinte, dass sich der Gesellschafterbestand durch den Beitritt der neuen Gesellschafter innerhalb von fünf Jahren wesentlich geändert habe und deshalb gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG in der vom 1.1.1997 bis 31.12.1999 geltenden Fassung ein auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft anzunehmen sei. Es setzte deshalb 554 969 DM GrESt fest. In Höhe des Anteils der Gründungsgesellschafter an den Beitragspflichten ließ es die Steuer gemäß § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG unerhoben. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich bei ihr innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder wesentlich, gilt dies gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG als auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Das FG ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die 1996 vollzogenen Beitritte zur Klägerin bis zur Grenze von 96,975 % der Anteile nicht zur Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG herangezogen werden können. Für den Streitfall ergibt sich aus § 23 Abs. 3 GrEStG, dass die im Jahr 1996 erfolgten Anteilserwerbe bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht berücksichtigt werden dürfen.
Das Gesetz regelt in § 23 Abs. 3 GrEStG den zeitlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG. Danach ist die Vorschrift erstmals auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die die Voraussetzungen der Norm nach dem 31.12.1996 erfüllen. Der in § 23 Abs. 3 GrEStG verwendete Begriff Rechtsgeschäft hat den gleichen Inhalt wie in § 1 Abs. 2a GrEStG. Gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG"gilt", wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich bei ihr innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder wesentlich ändert, "dies als auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft". Die Fiktion auslösende Grundlage kann ein einzelner Rechtsvorgang sein, der den Tatbestand erfüllt. Das fingierte Rechtsgeschäft kann aber auch aus einer Summe von Teilakten bestehen, die zusammen die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft ausmachen. Dies kann sich über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren hinziehen und in eine unbegrenzte Zahl von Teilakten zerfallen, die zusammengenommen tatbestandserfüllend sind und deren letzter die wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes endgültig herbeiführt. Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 2a und damit auch des § 23 Abs. 3 GrEStG ist demnach nicht die letzte, zur Vollständigkeit oder Wesentlichkeit führende Veränderung im Gesellschafterbestand, sondern die Summe aller Rechtsakte, die die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes bedeuten.
Gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG ist § 1 Abs. 2a GrEStG erstmals anwendbar auf Rechtsgeschäfte, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a nach dem 31.12.1996 erfüllen. Da das Rechtsgeschäft i.S. dieser Vorschrift aus der Summe seiner Teilakte besteht, müssen alle Teilakte nach dem 31.12.1996 erfüllt worden sein. Die Besteuerung darf demnach nicht an Änderungen des Gesellschafterbestandes anknüpfen, die vor dem 1.1.1997 vorgenommen worden sind. Die von der Finanzverwaltung vertretene gegenteilige Ansicht stellt keine zutreffende Auslegung des Gesetzes dar.
Link zur Entscheidung
BFH vom 8.11.2000 - II R 64/98