Ende der Pflicht

Alles hat ein Ende – auch die Verkehrssicherungspflicht: Übt der Grundstückseigentümer seinen Besitz nicht mehr unmittelbar aus, verbleibt ihm die Verkehrssicherungspflicht zumindest als Überwachungsaufgabe. Wird ihm der Besitz aber hoheitlich vollständig entzogen, entfällt auch diese Pflicht. Das ist das Fazit einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH).

Zwangsweiser Besitzentzug

Die Bundesrepublik war Anfang 2010 gemäß § 18f Bundesfernstraßengesetz in den Besitz des Grundstücks des Beklagten eingewiesen worden, weil dieser die freiwillige Überlassung seines Grundbesitzes zum Zweck von Bauarbeiten verweigert hatte. Im Juni 2012 parkte der Kläger sein Fahrzeug neben diesem Grundstück; windstoßbedingt löste sich von einem auf dem Grundstück stehenden Baum ein Ast und beschädigte das Fahrzeug des Klägers erheblich, sodass er Ersatz von knapp 6.000 EUR verlangte – doch letztlich ohne Erfolg!

Keine Überwachungspflicht

Der BGH weist zwar darauf hin, dass ein Grundstückseigentümer im Rahmen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich dafür sorgen muss, dass sich von den auf seinem Grundstück stehenden Bäumen keine Äste lösen und Schäden verursachen. Dies – so das Gericht – setzt aber voraus, dass er überhaupt in der Lage ist, die für eine Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das ist, wenn er sein Grundstück Dritten überlässt, in gewissem Umfang noch der Fall, sodass sich seine unmittelbare Verkehrssicherungs- in eine Überwachungsverpflichtung umwandelt. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, dass dem Grundstückseigentümer der Besitz durch die hoheitliche Verwaltung auf eine Weise entzogen wird, dass er seine Kompetenzen vollständig verliert und er seine Rechte am Grundstück nicht mehr ausüben kann. Dies ist bei einer Maßnahme wie vorliegend indes eingetreten, weil der Grundstückseigentümer auf eine bloß formelle Position reduziert wird.

Parallele zur Zwangsverwaltung

Der BGH zieht dabei eine Parallele zur Rechtslage während der Zwangsverwaltung: Hier obliegt die Pflicht, für die Beseitigung der den Verkehr gefährdenden Mängel eines Grundstücks zu sorgen, ausschließlich dem Zwangsverwalter, weil dem Eigentümer infolge der Zwangsverwaltung jede Einwirkung auf das Grundstück verwehrt ist. Ähnliches gelte auch dort, wo eine öffentlich-rechtliche Herrschaft über eine Sache besteht, beispielsweise bei Widmung derselben zum Gemeingebrauch. Es verbleibt in solchen Fällen auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht in Form von Überwachungspflichten. Wer mit der zwangsweisen Verlagerung seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen Dritten konfrontiert wird, den er nicht auswählt und auf den er rechtlich nicht einwirken kann, hat diesen nicht zu überwachen.

(BGH, Urteil v. 13.6.2017, VI ZR 395/16, VersR 2017 S. 1162 dazu NJW-Spezial 2017 S. 547)

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