Leitsatz
- Im Abrechnungsverfahren kann nicht geprüft werden, ob das Finanzamt die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids bezüglich bereits verwirkter Säumniszuschläge hätte aufheben müssen.
- Hält das FG die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt für rechtswidrig, hat es eine eigene Schätzung vorzunehmen.
Sachverhalt
Da ein Steuerpflichtiger keine Steuererklärung abgegeben hatte, schätzte das Finanzamt seine Einkünfte und setzte die Einkommensteuer fest. Dagegen wurde Einspruch eingelegt und erfolglos Aussetzung der Vollziehung beantragt. Später wurde die Steuererklärung eingereicht und die Einkommensteuerfestsetzung entsprechend geändert. Das wegen der Ablehnung der Aussetzung noch anhängige Einspruchsverfahren sah das Finanzamt nunmehr als erledigt an. Es setzte für die Zeit zwischen der Fälligkeit der ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzung und dem Ergehen des Änderungsbescheids Säumniszuschläge fest. Einen Antrag auf "Aufhebung der Säumniszuschläge" lehnte das Finanzamt ab; der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die dagegen erhobene Klage setzte das FG die Säumniszuschläge unter entsprechender Änderung des Bescheids in unbezifferter Höhe fest, wie sie sich "bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Schätzung ergeben hätten". Es verstand die Entscheidung des Finanzamts als Abrechnungsbescheid.
Entscheidung
Das FG hätte die Klage als Aussetzungsantrag behandeln müssen; denn nur mit einem Antrag auf (rückwirkende) Aufhebung der Vollziehung konnte der Kläger sein Ziel erreichen, für die eben bezeichnete Zeit keine Säumniszuschläge zahlen zu müssen. Im Abrechnungsverfahren musste das Finanzamt hingegen Säumniszuschläge ausweisen; denn im Abrechnungsverfahren ist nur zu prüfen, ob Säumniszuschläge nach Maßgabe des Gesetzes entstanden sind, was hier der Fall war. Dagegen kann im Abrechnungsverfahren nicht – wie das FG meinte – darüber entschieden werden, ob Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung des zu Grunde liegenden Steuerbescheids hätte gewährt werden müssen und folglich, wenn dies geschehen wäre, Säumniszuschläge nicht entstanden wären. Diese Prüfung ist dem Aussetzungsverfahren vorbehalten – ebenso wie die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten ist und nicht in das Abrechnungsverfahren verlagert werden kann.
Der BFH hat deshalb das Urteil des FG aufgehoben und die Streitsache an das FG zurückverwiesen, damit dieses im Beschlussverfahren nach § 69 FGO über das Begehren des Klägers entscheidet.
Praxishinweis
Säumniszuschläge bedürfen keiner Festsetzung, sondern entstehen unmittelbar kraft Gesetzes. Sie werden daher gegebenenfalls in einem Abrechnungsbescheid gleichsam originär ausgewiesen. Rechtsschutz gegen Säumniszuschläge ist daher durch Einspruch und Klage gegen den Abrechnungsbescheid zu gewähren. Das ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen für das Entstehen von Säumniszuschlägen – eine fällige Steuerforderung, deren Vollziehung weder ausgesetzt noch aufgehoben ist – im Abrechnungsverfahren nur zu prüfen sind. Durch rechtsgestaltende Entscheidung können diese Voraussetzungen im Abrechnungsverfahren nicht beseitigt werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 18.4.2006, VII R 77/04