Prof. Dr. Helmut Weingärtner
Im vorliegenden Fall hat ein Pflichtteilsberechtigter Auskunft vom Erben über den Bestand des Nachlasses verlangt. Das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis ist vom Gericht beanstandet worden.
Das Gericht hat detaillierte Ausführungen dazu gemacht, wie ein notarielles Nachlassverzeichnis auszusehen hat:
Ein Pflichtteilberechtigter hat gegen den Erben gem. § 2314 Abs. 1 BGB Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu geben. Er kann verlangen, dass das Verzeichnis nach § 260 BGB durch einen Notar aufgenommen wird. Dieser muss den tatsächlichen und den fiktiven Nachlass grundsätzlich selbst und eigenständig ermitteln und durch seine Unterzeichnung des Verzeichnisses zum Ausdruck bringen, dass er für dessen Inhalt verantwortlich ist.
Nachforschungspflicht des Notars
Es liegt deshalb nur ein durch einen Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis vor, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst ermittelt hat. Es genügt also nicht, dass er lediglich Erklärungen der Erbenseite beurkundet, ohne diese Angaben einer kritischen (und so auch dokumentierten) Plausibilitätskontrolle zu unterziehen und den daraus ergebenden – konkreten – Anhaltspunkten für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nachzugehen. Er muss zwar nicht wie ein Detektiv ermitteln und ist insbesondere nicht verpflichtet, ohne bestimmte Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren. Es kommt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an; er muss sich fragen, welche greifbaren Zweifel bzw. welche naheliegenden Nachforschungen sich aus der objektiven Sicht eines den auskunftsberechtigten Gläubiger sachkundig beratenden Dritten aufdrängen würden.
Mitwirkungspflicht der Erben
Dementsprechend hat der Notar zunächst den Erben anzuhalten, seine Mitwirkungspflichten zu erfüllen und ihm wahrheitsgemäße, insbesondere auch vollständige Auskünfte zu erteilen, sowie die zur Überprüfung benötigten Urkunden und sonstige Belege lückenlos vorzulegen. Dabei muss er unter Umständen zugleich die Erben auf dessen eigene Aufklärungsmöglichkeiten nachhaltig hinweisen.
Klärungsbedürftige Punkte
Hat der Notar infolge seiner eigenen Plausibilitätskontrolle klärungsbedürftige Punkte aufgedeckt, so wird es in der Regel geboten sein, den Erben mit dem Ergebnis der Prüfung zu konfrontieren und von ihm ergänzende Angaben einzufordern. Sofern substanzielle Zweifel fortbestehen, wird es sich häufig empfehlen, nach einem im Wege eines Anschlussverfahrens aufgebauten Frageschema schrittweise auf (möglichst wortgetreu aufzunehmende) Erklärungen hinzuwirken, mit denen sich die (nochmals eindringlich an ihre Wahrheitspflicht erinnerte) Erbenseite definitiv darauf festlegt, aus welchen konkreten Gründen sie über keine (weiteren) Erkenntnisse verfügt und insbesondere auch nichts von noch bislang ungenutzten Erkenntnisquellen weiß.
Ausgleichspflichtige Zuwendungen
In dem vorliegenden Fall ging es insbesondere um ausgleichspflichtige Zuwendungen, insbesondere Ausstattungen. Es fehlten detaillierte Angaben zu Schenkungen. So waren "Umschichtungen" eines Teils der ermittelten "Abflüsse" auf ein drittes Bankdepotkonto auffällig. Ausweichende Einlassungen der Erben begründeten den dringenden Verdacht, dass weit vor Eröffnung des Depots Schenkungen vorgenommen worden sind. Auch dann, wenn die auskunftspflichtige Vermögensverschiebung und ihre Schenkungscharakter offenkundig sind, ist ihre Aufnahme in das Verzeichnis keine in das Ermessen des Notars gestellte Frage der Rechtmäßigkeit.
Im vorliegenden Fall fehlten zusätzlich jegliche Angaben über Lebensversicherungen in dem Nachlassverzeichnis. Ferner war ein Gewinn aus Aktienverkäufen, der einen Vermögenszuwachs darstellt, nicht aufgeklärt.
Grundsätze des BVerfG
In diesem Zusammenhang ist auch auf die grundsätzlichen Ausführungen in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 25.4.2016, I BvR 2423/14, NotBZ 2016 S. 400) hinzuweisen.
Es hat ausgeführt:
Das notarielle Nachlassverzeichnis gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit einer Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis, welches der auskunftsverpflichtete Erbe erstellt hat. Dazu ist erforderlich, dass es von der Amtsperson selbst erstellt wird und diese nicht lediglich die Erläuterung des Erben protokolliert und beurkundet. Der Notar ist dabei regelmäßig auch zur selbstständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet, er muss zudem durch eine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, für den Inhalt verantwortlich zu sein. Ein Verzeichnis, das sich inhaltlich lediglich auf die dem Notar seitens der Erben vorgelegte Auflistung beschränkt und nicht eine eigenständige Feststellung des Notars dazu enthält, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden und weitere Verbindlichkeiten nicht festzustellen seien, erfüllt daher die Anforderungen nicht.
(OLG Bamberg, Beschluss v. 16.6.2016, 4 W 42/16,...