Leitsatz

Wird ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, welches zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden sollte, vor dem Selbstbezug und vor Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG veräußert, mindern nur solche Schuldzinsen aus der Fremdfinanzierung des Grundstückserwerbs und andere Grundstücksaufwendungen als Werbungskosten den Spekulationsgewinn, die auf die Zeit entfallen, in welcher der Steuerpflichtige bereits zum Verkauf des Grundstücks entschlossen war. Aufwendungen, die auf die Zeit vor der Fassung des Verkaufsentschlusses entfallen, sind privat veranlasst (§ 12 EStG) und können auch nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abgezogen werden.

 

Sachverhalt

Im April 1990 kaufte der Steuerpflichtige ein nahe seinem künftigen Arbeitsplatz in B gelegenes Einfamilienhaus. Den Kaufpreis finanzierte er per Bankkredit. Bevor er den geplanten Umzug nach B verwirklichen konnte, wurde der Steuerpflichtige vom Arbeitgeber überraschend nach K versetzt. Im Juli 1991 verkaufte er deshalb das Haus in B und erwarb statt dessen ein Haus in K. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machte der Steuerpflichtige die auf das erste Halbjahr 1991 entfallenden Schuldzinsen und Grundstücksaufwendungen für das Haus in B als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Weiterhin erklärte er einen Spekulationsgewinn aus dem Verkauf des Hauses in B von rd. 2800 DM. Das Finanzamt ließ lediglich die für den Zeitraum zwischen Verkaufsentschluss und Verkauf des Hauses in B angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Spekulationseinkünften zum Abzug zu. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage des Steuerpflichtigen statt und zog die streitigen Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

 

Entscheidung

Die streitigen Aufwendungen stellen entgegen der Ansicht des FG keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar, weil sie vorrangig mit der Anschaffung eines eigenen Wohnzwecken dienenden Grundstücks zusammenhängen und damit grundsätzlich der einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen privaten Vermögenssphäre zuzurechnen sind. Denn einem Arbeitnehmer steht es frei, eine Wohnung in der Nähe seines neuen Arbeitsortes anzumieten, statt ein Wohnobjekt zu erwerben.

Die streitigen Kosten sind auch nicht als Vorkosten i.S. von § 10e Abs. 6 EStG bei dem Objekt in B abziehbar. Entscheidend ist insoweit, dass es nicht zum tatsächlichen Bezug des Hauses in B durch den Steuerpflichtigen kam. Bezüglich des Objekts in K scheitert der Vorkostenabzug daran, dass kein unmittelbarer Zusammenhang der das Objekt in B betreffenden Aufwendungen mit dem Haus in K vorliegt.

Soweit die streitigen Kosten allerdings auf die Zeit zwischen der Fassung des Verkaufsentschlusses und der Kaufpreiszahlung entfallen, sind sie als Werbungskosten bei den Spekulationseinkünften abzuziehen. Sollte sich hierbei – was das FG noch feststellen muss – ein "Verlust" ergeben, steht dessen Ansatz nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Regeln des Verlustausgleichs bzw. -abzugs § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG 1991 nicht entgegen[1].

 

Praxishinweis

  1. Hinsichtlich des Abzugs der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit reiht sich das Urteil in die Linie der BFH-Rechtsprechung ein. So hat der BFH die Berücksichtigung eines Verlusts beim Verkauf eines privaten Eigenheims, das aus beruflichen Gründen nicht mehr selbst bewohnt werden konnte, sowie den Abzug der Kosten aufgrund der Veräußerung eines Eigenheims anlässlich eines beruflich bedingten Umzugs als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgelehnt[2].
  2. Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG setzt schon nach bisheriger Rechtsprechung des BFH voraus, dass es später tatsächlich zur Eigennutzung des Objekts durch den Steuerpflichtigen kommt. Scheitert dieser Eigenbezug – aus welchen Gründen auch immer, seien es auch unverschuldete – kann der Vorkostenabzug nicht gewährt werden bzw. wird ein bereits gewährter Vorkostenabzug durch Änderungsbescheid revidiert[3].
  3. Spekulationsverluste können für Streitjahre vor 1999 in allen noch offenen Fällen nach allgemeinen Regeln mit anderen – positiven – Einkünften ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden[4].
 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 16.6.2004, X R 22/00

[1] Vgl. BFH-Urteil vom 1.6.2004, IX R 35/01, INF 2004, S. 567
[2] Vgl. BFH-Urteile vom 24.5.2000, VI R 28/97, BStBl II 2000, S. 474 = INF 2000, S. 667; vom 24.5.2000, VI R 147/99, BStBl II 2000, S. 476 = INF 2000, S. 666
[4] Vgl. BFH-Urteil vom 1.6.2004, a.a.O. (Fn. 1)

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