Leitsatz
Sog. Wertaufholungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2002, denen in früheren Jahren sowohl steuerwirksame als auch steuerunwirksame Abschreibungen von Anteilen auf den niedrigeren Teilwert vorangegangen sind, sind nach Maßgabe von § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 a.F./§ 8b Abs. 2 Satz 4 KStG 2002 n.F. zunächst mit den nicht steuerwirksamen und erst danach – mit der Folge der Steuerpflicht daraus resultierender Gewinne – mit den steuerwirksamen Teilwertabschreibungen zu verrechnen.
Sachverhalt
Zum Umlaufvermögen einer GmbH gehörten in den Streitjahren 2003 und 2004 börsennotierte, nach Anschaffungszeitpunkten erfasste Aktien. Zum 31.12.2001 nahm die GmbH darauf steuerwirksame Teilwertabschreibungen vor. Im Jahr 2002 erwarb sie weitere Aktien und nahm Teilwertabschreibungen vor, die nach dem erstmals anzuwendenden § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. (nun § 8b Abs. 3 S. 3 KStG 2002 n.F.) nicht mehr den Ertrag minderten. Zum 31.12.2003 und 31.12.2004 folgten weitere steuerunwirksame Teilwertabschreibungen sowie Wertaufholungen. In Höhe der Zuschreibungen wurden steuerunwirksame Teilwertabschreibungen des Vorjahrs rückgängig gemacht. Das Finanzamt forderte dagegen die Verrechnung mit steuerwirksamen Teilwertabschreibungen. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem FG und dem BFH Erfolg.
Entscheidung
Wertaufholungen auf Anteile bleiben nach § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG steuerfrei, es sei denn, die Anteile sind in früheren Jahren steuerwirksam auf den Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderungen nicht durch Zuschreibungen ausgeglichen worden. Grund hierfür ist § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F./§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG 2002 n.F., wonach Gewinnminderungen im Zusammenhang mit durch § 8b Abs. 2 KStG 2002 steuerfrei gestellten Anteilen nicht zu berücksichtigen sind.
Fraglich ist, wie Gewinne aus Wertaufholungen zu verrechnen sind. Die Finanzverwaltung geht davon aus, die Wertaufholungen seien bis zum vollständigen Ausgleich steuerwirksamer Teilwertabschreibungen steuerpflichtig. Die Zuschreibungen seien zunächst mit den frühesten Abschreibungen zu verrechnen, erst danach greife die Steuerfreistellung.
Der BFH folgt der Gegenmeinung: Wertaufholungen sind betragsbezogen steuerfrei zu belassen, bis die steuerunwirksamen Teilwertabschreibungen vollständig ausgeglichen sind. Allein diese Reihenfolge korrespondiert mit dem Zweck der Regelung. Diese soll verhindern, dass es nach Einführung des Halbeinkünfteverfahren zur steuerfreien Realisation stiller Reserven kommt, die nach früherer Rechtslage steuerpflichtig gewesen wären. Dem entspricht es, die Verrechnung an eine Zeitreihenfolge zu knüpfen und dabei die zuletzt eingetretene Wertminderung als zuerst ausgeglichen anzusehen.
Hinweis
Offen blieb, ob die "Schachtelstrafe" von 5 % nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG gegen das Übermaßgebot verstößt. Diese Frage liegt dem BVerfG vor (Az. 1 BvL 12/07).
Link zur Entscheidung
BFH, 19.08.2009, I R 2/09