Prof. Dr. Helmut Weingärtner
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Baudenkmals mit 2 schützenswerten Fassaden. Das Haus wurde als Villa um 1860 erbaut, und zwar nach Entwürfen des Architekten Jean David Jolasse. Jolasse war der Hauptexponent des romantischen Historismus in Hamburg.
Baugenehmigung für modernen Bau neben denkmalgeschützter Villa
Im März 2015 erteilte die zuständige Behörde die Baugenehmigung zur Errichtung eines dreigeschossigen Wohnhauses mit 7 Wohneinheiten und einer Tiefgarage als Grenzbebauung zu dem denkmalgeschützten Haus. Der Widerspruch der Klägerin (Antragstellerin) gegen die Baugenehmigung war erfolglos. Daraufhin beantragte sie im einstweiligen Verfügungsverfahren die Untersagung der Errichtung des Bauvorhabens. Hiermit hatte sie Erfolg.
Keinen Erfolg hatte dagegen die Beschwerde der Genehmigungsbehörde gegen den Beschluss.
Neubau wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung. Der östlichen und nördlichen Fassade des Gebäudes – so das Gericht – komme wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung für Hamburg als Zeugnis der englischen Tudor-Gotik bzw. des castellated gothac ein eigenständiger Denkmalswert zu, der auch heute noch an der Fassade ohne Weiteres ablesbar sei. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die unmittelbare Umgebung eines Denkmals – soweit sie für dessen Erscheinungsbild oder Bestand von prägender Bedeutung ist – nach § 8 Denkmalschutzgesetz ohne Genehmigung der zuständigen Behörde durch Errichtung, Änderung oder Beseitigung baulicher Anlagen, durch die Gestaltung der umgebauten öffentlichen oder privaten Flächen oder in anderer Weise nicht dergestalt verändert werden dürfe, dass die Eigenart und das Erscheinungsbild des Denkmals wesentlich beeinträchtigt werde. Wenn der Neubau als Grenzbebauung in nur geringem Abstand zum Denkmal errichtet würde, würde das äußere Erscheinungsbild des Denkmals durch Bauweise und Architektursprache des Neubaus gestört werden. Zwar reiche nicht jede Beeinträchtigung aus, sondern nur eine unzumutbare. Vorliegend sei die Bagatellgrenze überschritten und eine erhebliche Beeinträchtigung der Umgebung anzunehmen, sodass das Vorhaben genehmigungspflichtig sei. Dies sei insbesondere deshalb erforderlich, weil die besondere Wirkung des Denkmals, die es als Zeugnis der Geschichte und als charakteristisches städtebauliches Element habe, geschmälert werde.
Abstand zwischen denkmalgeschütztem Objekt und Neubau muss gewahrt werden
Eine architektur-stilistisch trennende Wirkung könne zugunsten des Vorhabenträgers nicht angenommen werden, da eine solche einen "Achtungsabstand" voraussetze, der es dem Auge des Betrachters erlaube, zwischen den Gegensätzen zur Ruhe zu kommen. Denn eine solche architektur-stilistisch trennende Wirkung eines Vorhabens, das den Dialog mit der Architektur des Denkmals bewusst verweigere, erfordere einen gewissen "Achtungsabstand" zum Denkmal, der das Auge des Betrachters zunächst zur Ruhe kommen lässt, um sodann einen neuen Architekturstil an dem Vorhaben ablesen zu können. Andernfalls gerieten Denkmal und Vorhaben – wie vorliegend – in eine unmittelbare optische Konkurrenz, die sich für das Denkmal wegen der mangelnden Achtung der verkörperten Werte störend auswirke.
Für das Vorhaben sprächen auch keine überwiegenden Gründe des Gemeinwohls. Zwar bestehe in Hamburg ein dringendes öffentliches Interesse an der Schaffung von preisgünstigem Wohnraum, jedoch handele es sich bei dem Vorhaben des Neubaus um Luxuswohnungen, die vor allem im privaten wirtschaftlichen Interesse errichtet würden.
(OVG Hamburg, Beschluss v. 16.12.2015, 2 Bs 218/15)