Leitsatz (amtlich)

Hat das FG über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden, so ist ein erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in derselben Angelegenheit nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO statthaft. Das gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig und der erneute Antrag deshalb beim BFH zu stellen ist.

 

Sachverhalt

Im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens hatte die Antragstellerin, eine GmbH, beim FG die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide beantragt. Das FG setzte die Vollziehung der Bescheide daraufhin insoweit ohne Sicherheitsleistung aus, als "für den Betrag von 1 145 DM eine verdeckte Gewinnausschüttung angesetzt" worden war; den weitergehenden Antrag lehnte es ab. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung ließ das FG nicht zu. Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil hat die Antragstellerin beim BFH einen AdV-Antrag gestellt und hierzu vorgetragen, das Finanzamt habe inzwischen mit der Vollstreckung der streitigen Steuerforderungen begonnen. Zur Frage der verdeckten Gewinnausschüttung hat sie sich auf ihr Vorbringen im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren berufen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist unzulässig. Denn nachdem das FG bereits über einen entsprechenden Antrag entschieden hat, wäre ein erneuter Antrag nur unter denjenigen Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO eine Änderung der ergangenen Entscheidung verlangt werden könnte. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Die gerichtliche Entscheidung über einen AdV-Antrag erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Vielmehr kann das Gericht der Hauptsache einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit ändern oder aufheben[1]. Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen[2]. Diese Begrenzung der Antragsmöglichkeit dient der Entlastung der Gerichte, die so in die Lage versetzt werden sollen, nach Möglichkeit innerhalb eines einzigen Verfahrens abschließend über das Aussetzungsbegehren zu entscheiden. Aus dem genannten Zweck der in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO getroffenen Regelung folgt, dass hiervon nicht nur diejenigen Fälle erfasst werden, in denen formal die Aufhebung oder Änderung einer ergangenen Entscheidung begehrt wird. Vielmehr muss die Begrenzung der Antragsmöglichkeit gleichermaßen gelten, wenn zunächst über einen AdV-Antrag entschieden worden ist und nunmehr ein Beteiligter erneut einen solchen Antrag stellt[3].

Dies alles muss auch dann gelten, wenn -wie im Streitfall - die ursprüngliche Entscheidung vom FG erlassen wurde, inzwischen aber der BFH Gericht der Hauptsache geworden ist und deshalb der Folgeantrag bei ihm gestellt wird[4]. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, den Beteiligten allein wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels eine Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen, den das Gesetz ihnen gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht versagt. Eine solche Lösung würde zudem damit kollidieren, dass die Beschwerde gegen eine Entscheidung des FG in Sachen Aussetzung der Vollziehung nur bei ausdrücklicher Zulassung durch das FG gegeben ist[5]. Diese Regelung zielt nämlich darauf ab, dass ein einmal vom FG entschiedenes AdV-Verfahren nicht ohne Zutun des FG an den BFH herangetragen werden kann; damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen FG-Entscheidung eine solche Möglichkeit letztlich doch eröffnen würde. Die hiernach gegebenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines solchen Antrags liegen im Streitfall nicht vor.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 13.10.1999 - I S 4/99

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