Leitsatz
Wiederkehrende Leistungen, die der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zu zahlen hat, sind nur dann – unter weiteren Voraussetzungen – beim Empfänger der Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar, wenn er zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört. Personen, die zu einem früheren Zeitpunkt auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hatten, gehören nicht zu diesem begünstigten Personenkreis.
Sachverhalt
S verzichtete im Jahr 1981 gegenüber ihrem Vater V auf ihren Pflichtteil. V verstarb 1988. In seinem Testament hatte er seine Ehefrau E, die Stiefmutter der S, zur Erbin eingesetzt und mit dem Vermächtnis beschwert, S einen monatlichen Unterhalt von 1000 DM zu zahlen. 1993 verstarb auch E und wurde von ihrer Tochter T beerbt. Seither zahlt T monatlich Unterhalt an S. Das Finanzamt erfasste die Zahlungen bei S als sonstige Einkünfte i.S. von § 22 EStG. Mit der dagegen gerichteten Klage macht S geltend, die Zahlungen seien als nicht steuerbare Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 EStG zu beurteilen. Das FG und der BFH gaben ihr Recht.
Entscheidung
Die Zuwendungen von T an S haben ihren Entstehungsgrund nicht im Testament des V. Dieses Testament beschwerte allein E. Nur sie sollte nach dem letzten Willen des V monatliche Zahlungen an S leisten. T war durch das Vermächtnis des V zugunsten von S nicht belastet. Im Übrigen gehörte S auch nicht dem durch das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen begünstigten Generationennachfolge-Verbund an, weil sie bereits zu Lebzeiten des V auf ihren Pflichtteil verzichtet hatte. Die Zahlungen von T an S waren deshalb als "freiwillige" nicht steuerbare Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 EStG zu qualifizieren.
Praxishinweis
Dem Besprechungsurteil ist beizupflichten. Zwar kann sich der Vermögensübergeber im Fall einer Vermögensübergabe von Todes wegen Versorgungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch für Dritte vorbehalten. Dies setzt allerdings nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass diese Dritten dem sog. Generationennachfolge-Verbund angehören. Dies trifft nur auf Personen zu, die gegenüber dem Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmern Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche hätten geltend machen können und sich statt dessen mit den ihnen (vermächtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheiden. Denn nur solche Personen übertragen – vergleichbar dem Vermögensübergeber in Fällen vorweggenommener Erbfolge – einen eigenen Vermögenswert. Diesem begünstigten Personenkreis gehörte S aber nicht mehr an, weil sie gegenüber V wirksam auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet hatte.
Nach diesen Grundsätzen hatte S die wiederkehrenden Zahlungen nicht einmal zu jener Zeit zu versteuern, als sie noch von E geleistet wurden. Die nach dem Tod der E von T geleisteten Zahlungen hatte S außerdem aus einem zweiten – selbstständig tragenden – Rechtsgrund nicht zu versteuern, nämlich deshalb, weil T aus dem von V der S ausgesetzten Vermächtnis überhaupt nicht verpflichtet wurde.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 7.3.2006, X R 12/05