Leitsatz (amtlich)
Hat der als Erbe eingesetzte Steuerpflichtige aufgrund eines Erbverzichtsvertrages seinen beiden Schwestern auf deren Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu erbringen, ist die Vermutung, dass damit erbrechtliche Ansprüche zeitlich gestreckt, nicht jedoch als Sonderausgaben abziehbare Versorgungsleistungen gezahlt werden, nur in Ausnahmefällen widerlegt.
Sachverhalt
Der Kläger ist Erbe nach seinem Vater. Er war im Streitjahr 1985 Geschäftsführer der A-GmbH. 1967 hatte der Vater seine Erben verpflichtet, seinen beiden Töchtern auf Lebenszeit eine Leibrente zu zahlen. Im Einverständnis mit den Berechtigten übernahm die A-Gruppe anstelle der Erben die Rentenverpflichtung gesamtschuldnerisch. Gleichzeitig verpflichtete sich die A-Gruppe, zugunsten der Schwestern jeweils eine Lebensversicherung über 500 000 DM abzuschließen, die bei deren Tod, spätestens 20 Jahre nach Abschluss der Versicherung fällig werden sollte. Darauf verzichteten die Schwestern auf Erb- und Pflichtteilsansprüche. Zunächst erhielten die Töchter die Leibrentenzahlungen von der A-Gruppe. In der ESt-Erklärung 1985 machte der Kläger Rentenzahlungen an seine Geschwister mit den Ertragsanteilen als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug. Klage und Revision blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Werden erbrechtliche Ansprüche - insbesondere solche, die auf vermögensrechtlichen Ausgleich unter den Erben gerichtet sind - durch wiederkehrende Leistungen erfüllt, handelt es sich grundsätzlich um einen "darlehensähnlichen" Vorgang, der die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug schon dem Grunde nach nicht erfüllt. Gleiches gilt, wenn man den Erb- und Pflichtteilsverzicht nicht als veräußerungsähnlichen, sondern als unentgeltlichen Vorgang qualifiziert. Die Erfüllung eines zugewendeten Anspruchs mittels Einmalzahlung erfüllt keinen steuerrechtlichen Abzugstatbestand. Daher führt auch der Aufschub der Erfüllung eines solchen Anspruchs mittels Verrentung nicht zum Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1aEStG.
Die Leibrente steht auch in keinem sachlichen Zusammenhang mit einer "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen". Als Sonderausgaben abziehbar sein können solche wiederkehrenden Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge vorbehalten worden sind, z.B. Altenteils- und ihnen gleichstehende Versorgungsleistungen. Dem ist steuerrechtlich der Fall gleichgestellt, dass Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (Erbeinsetzung, Vermächtnis) haben und die Versorgung eines Erben bezwecken. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass auch hier - ebenso wie bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen - mit der Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen beim Verpflichteten und der Steuerbarkeit beim Bezieher der Rechtsgedanke der "vorbehaltenen Vermögenserträge" rechtstechnisch verwirklicht wird.
Während bei der Übertragung eines Betriebes oder Gesellschaftsanteils von Eltern auf Kinder unter Zurückbehaltung von Versorgungsleistungen widerlegbar vermutet wird, dass die Rente unabhängig vom Wert der übertragenen Vermögenswerte nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und kein Entgelt unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung ist, wird solches im Verhältnis zwischen Geschwistern nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein. Es gilt die allgemeine Vermutung, dass Geschwister nicht in erster Linie versorgt, sondern gleichgestellt werden sollen10. Eine Ausnahme hiervon bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Allein der Umstand, dass wiederkehrende Zahlungen zugewendet sind, genügt jedenfalls nicht. Im Streitfall ist die Vermutung, dass Geschwister bei der Rechtsnachfolge nach ihren gemeinsamen Eltern nicht nur Versorgungsleistungen erhalten, sondern gleichgestellt werden sollen, nicht widerlegt. Die vom Kläger gezahlten Renten gehen bereits nach Gegenstand und Höhe über die bislang in der Rechtsprechung anerkannten Versorgungsleistungen an Geschwister hinaus. Auch sind keine konkreten Gründe dafür ersichtlich, es habe dem Willen des Erblassers und der Interessenlage der Schwestern entsprochen, ohne angemessenen Ausgleich endgültig auf das Erbe nach ihrem Vater zu verzichten. Vielmehr spricht der zusätzliche Abschluss von Lebensversicherungen zugunsten der Schwestern für deren Interesse an einer vermögensrechtlichen Gleichstellung mit den Brüdern.
Link zur Entscheidung
BFH vom 20.10.1999 - X R 86/96