Leitsatz

Die Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten i.S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Feststellungsbeteiligten wirkt regelmäßig auch für künftige Bescheide im Feststellungsverfahren, und zwar auch soweit diese zurückliegende Feststellungszeiträume betreffen.

 

Sachverhalt

Für die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, stellte das Finanzamt die Einkünfte für die Streitjahre 1993 bis 1997 zunächst erklärungsgemäß fest. Nach den Feststellungserklärungen war A Empfangsbevollmächtigter für alle Beteiligten; dieser schied Ende 1997 als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH aus. Die am 7.7.1999 eingereichte Feststellungserklärung für 1998 benannte B, den neuen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, als Empfangsbevollmächtigten. Nach einer Betriebsprüfung änderte das Finanzamt die Feststellungsbescheide der Streitjahre. Die zunächst an A adressierten Bescheide konnten nicht zugestellt werden. Mit Datum vom 23.2.2000 übermittelte das Finanzamt die Änderungsbescheide erneut an die KG, nun zu Händen von B. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Am 26.4.2000 beantragte die KG, geänderte Feststellungsbescheide für die Streitjahre zu erlassen, da die Bescheide vom 23.2.2000 wegen der fortbestehenden Empfangsvollmacht des A nicht wirksam bekannt gegeben worden seien. Das Finanzamt stellte der KG am 19.5.2000 einen Bescheid vom 18.5.2000 zu, der mit dem Bescheid vom 23.2.2000 identisch war. Der Bescheid war an die KG zu Händen "Herrn A" adressiert. Den hiergegen am 15.6.2000 eingelegten Einspruch verwarf das Finanzamt wegen Versäumung der Einspruchsfrist. Klage und Revision hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

  1. Die KG hat die Einspruchsfrist versäumt. Der angefochtene Bescheid wurde ihr gemäß § 122 Abs. 1 Satz 3 AO wirksam bekannt gegeben, denn B war zur Annahme des am 23.2.2000 zur Post gegebenen und an ihn adressierten geänderten Feststellungsbescheids für die Streitjahre nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO ermächtigt. Der Bescheid galt am 28.2.2000 als bekannt gegeben, so dass der erst am 15.6.2000 beim Finanzamt eingegangene Einspruch verfristet war.

Dagegen kann die KG nicht einwenden, der Bescheid hätte wegen der fortbestehenden Vollmacht noch an A gerichtet werden müssen. Eine solche Vollmacht kann durch schlüssiges Handeln[1], etwa durch die Benennung eines neuen Empfangsbevollmächtigten, widerrufen werden. Dies folgt schon aus dem Zweck des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO, "einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen". Die Vorschrift soll die Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden an die Beteiligten durch die Beschränkung auf eine einzige Ausfertigung des Bescheids mit der Folge eines einheitlichen Bekanntgabezeitpunkts für alle Beteiligten vereinfachen. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn es die Feststellungsbeteiligten in der Hand hätten, für einen Zeitraum verschiedene Empfangsbevollmächtigte zu bestellen. Daher führt die Benennung eines neuen Empfangsbevollmächtigten zum Widerruf der Vollmacht des vorherigen Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für alle künftigen Verwaltungsakte in weiteren Feststellungsverfahren, selbst wenn sie zurückliegende Feststellungszeiträume betreffen.

2. Die entsprechende Auslegung der Empfangsvollmacht des B durch das FG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn die Aussage des Vordrucks, die Empfangsvollmacht wirke "auch für künftige Feststellungszeiträume", ermöglicht weder eine positive noch eine negative Auslegung zur Wirkung der Empfangsvollmacht für Verfahren zu vergangenen Feststellungszeiträumen. Der Wortlaut trägt lediglich der Rechtsprechung Rechnung, wonach die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nicht nur für den entsprechenden Feststellungszeitraum, sondern – soweit und solange dem Finanzamt kein Widerruf zugeht – auch für Folgejahre gilt.

 

Praxishinweis

Der am 19.5.2000 zugestellte "Feststellungsbescheid" vom 18.5.2000 hat keine Änderung des bereits bestandskräftigen Feststellungsbescheids vom 23.2.2000 bewirkt, die den Lauf einer Einspruchsfrist erneut in Gang gesetzt hätte. Mangels eigenen Regelungsgehalts und fehlender erneuter Sachaufklärung handelte es sich nur um eine wiederholende Verfügung[2].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 18.1.2007, IV R 53/05

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