Leitsatz
- Bei deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung kann eine wirtschaftliche Eingliederung und damit eine Organschaft schon bei mehr als nur unerheblichen Geschäftsbeziehungen vorliegen.
- Weder das UStG noch das Gemeinschaftsrecht sehen ein Wahlrecht für den Eintritt der Rechtsfolgen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vor.
- Die Übertragung eines zu bebauenden Grundstücks kann auch dann zu einer einheitlichen Leistung führen, wenn im Rahmen einer Organschaft der Organträger das Gründstück übereignet, während die Baumaßnahmen von einer Organgesellschaft durchzuführen sind.
Konsequenzen für die Praxis
Der XI. Senat bestätigt im vorliegenden Urteil die Rechtsprechung des V. Senats zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Danach kann die wirtschaftliche Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein. Durch die Rechtsprechung des V. Senats ist auch bereits geklärt und der XI. Senat hält daran fest, dass in Fällen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft kein Wahlrecht hinsichtlich deren Rechtsfolgen besteht.
Wird ein Bündel von Lieferungen oder Leistungen erbracht, ist zu prüfen, ob mehrere selbstständige Hauptleistungen vorliegen oder ob eine einheitliche Leistung gegeben ist. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn ein Unternehmer ein Grundstück verkauft und sich gleichzeitig verpflichtet, darauf ein Gebäude zu erstellen. Die Annahme einer einheitlichen Leistung setzt voraus, dass es sich um Lieferungen oder Leistungen desselben Unternehmers handelt. Leistungen verschiedener Unternehmer sind stets getrennt zu beurteilen.
Bislang noch nicht entschieden war, ob eine einheitliche Leistung auch dann vorliegen kann, wenn die einzelnen Lieferungen oder Leistungen teils vom Organträger und teils von der Organgesellschaft erbracht werden. Verkauft der Organträger das Grundstück und verpflichtet sich die Organgesellschaft zur Errichtung des Gebäudes, handelt es sich umsatzsteuerrechtlich um die Leistung eines Unternehmers. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG sind die Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln. Ob sich aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers das Leistungsbündel als einheitliche Leistung darstellt, obwohl zivilrechtlich zwei unterschiedliche Vertragspartner vorhanden sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls dann, wenn der Organträger eine natürliche Person ist und diese nicht nur den Vertrag über den Verkauf des Grundstücks, sondern auch als Vertreter der Organgesellschaft den Vertrag über die Errichtung des Gebäudes abschließt, liegt die Einheitlichkeit der geschuldeten Leistung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers auf der Hand.
Der Verkauf eines zu bebauenden Grundstücks fällt unter das Grunderwerbsteuergesetz, sodass der Umsatz nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist. Auf diese Steuerfreiheit kann gem. § 9 Abs. 1 UStG verzichtet werden (Option zur Umsatzsteuer). Ein solcher Verzicht kann zwar auch schlüssig erklärt werden. Ein derartiger Verzichtswille kann aber dann nicht festgestellt werden, wenn der Unternehmer der Ansicht war, er erbringe eine steuerpflichtige Leistung, sodass aus seiner Sicht die Voraussetzungen für einen Verzicht gar nicht vorgelegen haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 29.10.2008, XI R 74/07, BFH/NV 2009 S. 326