Leitsatz
Schließen einander nicht nahe stehende Personen einen formunwirksamen Kaufvertrag über den Geschäftsanteil an einer GmbH, geht das wirtschaftliche Eigentum über, wenn dem Erwerber das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht eingeräumt werden oder der zivilrechtliche Gesellschafter verpflichtet ist, bei der Ausübung des Stimmrechts die Interessen des Erwerbers wahrzunehmen, vorausgesetzt, die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung werden in der Folgezeit tatsächlich vollzogen.
Sachverhalt
X gründete 1979 gemeinsam mit S, K und M eine GmbH, an der er mit 26 % beteiligt war. Im April 1985 traten alle vier Gesellschafter je einen Anteil von 0,5 % des Stammkapitals an Y ab. Darüber hinaus traten sie mit notarieller Urkunde vom März 1986 jeweils 2,5 % des Stammkapitals an B ab. Am 7.5.1985 hatte eine Gesellschafterversammlung stattgefunden, in der zur Beteiligung des weiteren Gesellschafters A vereinbart wurde, dass A mit Wirkung vom 1.4.198510 % der Anteile der GmbH, die ihm die vier Gründungsgesellschafter zu gleichen Anteilen abtreten, übernimmt und die Option erhält, dass statt seiner sein Bruder B Gesellschafter der GmbH wird. Den vereinbarten Kaufpreis leistete A bereits am 3.5.1985. Für April bis Dezember 1985 erhielt A entsprechend seiner Beteiligung an der GmbH eine Gewinnausschüttung. In der notariellen Urkunde vom März 1986 über den Anteilsverkauf an B erklärten die Vertragsparteien, die mit den abgetretenen Geschäftsanteilen verbundenen Rechte und Pflichten seien bereits am 1.4.1985 auf den Erwerber übergegangen.
Im Februar 1991 veräußerte X den überwiegenden Teil seiner Beteiligung. Das Finanzamt sah den Tatbestand des § 17 EStG als erfüllt an und veranlagte X entsprechend. Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit der Begründung statt, der durch notarielle Urkunde vom März 1986 an B abgetretene Teilgeschäftsanteil von 2,5 % sei dem X bereits seit dem 1.4.1985 steuerlich nicht mehr zuzurechnen gewesen. X sei damit bei der Veräußerung im Februar 1991 nicht mehr innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich i.S.d. § 17 EStG beteiligt gewesen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision zurückgewiesen und die Vorentscheidung bestätigt. Zwar ist die vertragliche Absprache hinsichtlich der Übertragung der GmbH-Anteile zum 1.4.1985 mangels notarieller Beurkundung nicht wirksam, vielmehr ist der Geschäftsanteil erst durch den notariellen Vertrag vom März 1986 dinglich wirksam abgetreten worden. Für die Zurechnung einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG ist aber nicht zwingend das zivilrechtliche Eigentum erforderlich, vielmehr reicht das wirtschaftliche Eigentum aus. Beim Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum wird ein Geschäftsanteil dem Veräußerer, auch wenn er noch zivilrechtlicher Eigentümer ist, ab dem Zeitpunkt nicht mehr zugerechnet, ab dem das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergegangen ist. Dabei überträgt der BFH die zum wirtschaftlichen Eigentum an Grundstücken bei Formunwirksamkeit des Kaufvertrags entwickelten Grundsätze sinngemäß auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem GmbH-Anteil im Rahmen des § 17 EStG. Bei einem formunwirksamen Kaufvertrag über einen GmbH-Anteil geht danach das wirtschaftliche Eigentum über, wenn im Vertrag das Gewinnbezugsrecht übertragen, das Stimmrecht eingeräumt oder eine Stimmrechtsbindung des zivilrechtlichen Gesellschafters an die Interessen des Erwerbers vereinbart worden ist und wenn die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung in der Folgezeit tatsächlich vollzogen werden.
Im Streitfall hatte X das wirtschaftliche Eigentum an dem Geschäftsanteil von 2,5 % daher bereits 1985 verloren. Denn A hatte den Kaufpreis im Mai 1985 bezahlt, mit Zustimmung aller Gesellschafter an ihren Beratungen und Besprechungen teilgenommen und die vereinbarten anteiligen Gewinnausschüttungen erhalten. Der Umstand, dass die Geschäftsanteile im notariellen Vertrag vom März 1986 nicht an A, sondern auf dessen Wunsch an seinen Bruder B abgetreten wurden, erachtet der BFH nicht als schädlich, da A eine entsprechende Option eingeräumt worden war.
Praxishinweis
Der BFH hat bei der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Anteilen Parallelen zu formunwirksamen Grundstückskaufverträgen gezogen und die dort geltenden Grundsätze auf Anteilsübertragungen entsprechend angewendet. Entscheidend war für den BFH, dass die Parteien die vereinbarten Wirkungen des Vertrags eintreten ließen: A nahm an den Beratungen über die Geschäftspolitik der GmbH teil, erhielt Gewinnausschüttungen entsprechend seiner Beteiligung und leistete den vereinbarten Kaufpreis. Damit verhielten sich die Beteiligten im Ergebnis so, als sei der Vertrag wirksam gewesen. Die Formulierung des BFH "für einen formunwirksamen Kaufvertrag zwischen Fremden über einen Geschäftsanteil an einer GmbH …" macht aber deutlich, dass diese Grundsätze nur zwischen fremden Dritten gelten. Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen w...