Leitsatz

Ist aufgrund wirksamer schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen einander nicht nahe stehenden Personen das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen einer GmbH übergegangen und werden die schuldrechtlichen Vereinbarungen nachträglich unwirksam, dann bleibt der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer, wenn die Beteiligten die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts nicht rückgängig machen.

 

Sachverhalt

K und T waren zu je 50 % am Stammkapital der U-GmbH beteiligt; die Beteiligung des K wurde von T treuhänderisch gehalten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 28.10.1996 veräußerte T sämtliche Anteile für 1,5 Mio. DM an E. Der Kaufpreis war zu einem Drittel 1996, der Rest spätestens am 31.10.1997 fällig. Die Abtretung der Anteile stand unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises.

Mit notariellem Vertrag vom 4.12.1996 veräußerte E einen Teilgeschäftsanteil von 22500 DM an M. Die im Gesellschaftsvertrag der U-GmbH für diesen Fall vorgesehene Genehmigung erteilte T in seiner Eigenschaft als alleiniger GmbH-Gesellschafter. Nachdem E den T zunächst als Geschäftsführer abberufen und zwei andere Geschäftsführer bestellt hatte, berief T im November 1997 diese beiden Geschäftsführer ab und bestellte sich selbst zum Geschäftsführer. Noch im November 1997 wurde mit notariellem Vertrag eine Herabsetzung des ursprünglichen Kaufpreises auf 1274433 DM vereinbart. Dieser wurde – soweit noch nicht geleistet – 1997 entrichtet.

Das Finanzamt sah den Tatbestand des § 17 EStG als erfüllt an und veranlagte K im Streitjahr 1996 entsprechend. Es ging davon aus, mit dem Vertrag vom 28.10.1996 sei das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen auf E übergegangen. Mit der dagegen erhobenen Klage machte K geltend, der Veräußerungsgewinn könne nicht 1996 erfasst werden, weil bis zur Leistung des Kaufpreises nur er selbst rechtlich wirksame Gesellschafterbeschlüsse habe fassen können. Da das Stimmrecht nicht auf E übergegangen sei, habe dieser 1996 kein wirtschaftliches Eigentum an den GmbH-Anteilen erworben. Das FG wies die Klage ab, da das beim Treuhänder verbliebene Stimmrecht ohne wirtschaftliche Bedeutung gewesen sei, denn T habe auf die Geschäftstätigkeit der U-GmbH keinen Einfluss genommen.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision zurückgewiesen und die Vorentscheidung bestätigt. Nach seiner Auffassung ist das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen 1996 übertragen worden; der Veräußerungsgewinn ist daher im Streitjahr 1996 zu erfassen. Zwar ist das zivilrechtliche Eigentum an den Anteilen 1996 noch nicht übergegangen, da K sich dieses bis zur vollständigen Begleichung des Kaufpreises vorbehalten hat und der gesamte Kaufpreis 1996 noch nicht geflossen ist. Mit dem notariellen Vertrag vom 28.10.1996 ist jedoch das wirtschaftliche Eigentum auf E übergegangen[1]. Der Erwerber wird wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn ihm die mit dem Erwerb der Anteile verbundenen wesentlichen Rechte, d.h. insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht, zustehen[2]. Das ist hier zu bejahen, auch wenn das Stimmrecht formal bei K und T verblieben ist. Denn bei einer Veräußerung unter einer aufschiebenden Bedingung darf der Verkäufer das vom Eintritt der Bedingung abhängige Recht in der Schwebezeit nicht beeinträchtigen; vielmehr ist er grundsätzlich gehalten, das formal bei ihm verbliebene Stimmrecht im Interesse des Erwerbers wahrzunehmen.

Dass der laut Vertrag vom 28.10.1996 geschuldete Restkaufpreis zum ursprünglich vereinbarten Termin (spätestens 31.10.1997) nicht entrichtet wurde, führt nicht dazu, dass der 1996 entstandene Veräußerungsgewinn rückwirkend entfällt. Zwar fallen dadurch die schuldrechtlichen Grundlagen für das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen weg. Die Beteiligten haben aber die aufgrund des Anteilskaufvertrags erbrachten Leistungen nicht rückgängig gemacht, sondern dessen wirtschaftliches Ergebnis bestehen lassen. Die Vereinbarung vom 28.10.1996 ist daher gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO so lange als gültig anzusehen, bis die Beteiligten aus deren Unwirksamkeit endgültig zivilrechtliche Folgerungen gezogen und die erbrachten Leistungen insgesamt rückgängig gemacht haben. Im Streitfall ist eine Rückabwicklung jedoch nicht erfolgt. Dem Erwerber E wurde weder das Gewinnbezugsrecht noch das Stimmrecht entzogen; auch der von E geleistete Teilkaufpreis wurde nicht zurückgezahlt, sondern lediglich der Gesamtkaufpreis ermäßigt. Im Ergebnis haben die Beteiligten damit die ursprüngliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den GmbH-Anteilen bestätigt und die ursprünglichen Leistungspflichten – wie im Fall eines Vergleichs – aufrechterhalten.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung steht im Kontext zum Urteil vom 17.2.2004[3], das sich ebenfalls mit dem Übergang wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Anteilen befasst. Der BFH bleibt auch hier bei seiner Linie, wonach der Erwerb wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Anteilen daran geknüpft ist, dass die mit dem Erwerb der Anteile verb...

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