Leitsatz
Eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter als Bauleiter tätig sind, erzielt Einkünfte aus selbst ständiger Arbeit, wenn ihre Gesellschafter die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führen dürfen oder das von ihnen in der DDR absolvierte Studium demjenigen eines (Wirtschafts-)Ingenieurs entspricht.
Sachverhalt
Die Gesellschafter einer GbR, die beide in der DDR ein Studium als "Diplom-Ingenieur-Ökonom" abgeschlossen hatten, waren im Streitjahr 1998 als Bauleiter für eine GmbH tätig, die Fertighäuser erstellte. Ihre Tätigkeit umfasste die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Auftragsvergabe sowie die Objektüberwachung und Objektbetreuung einschließlich der Mängelbeseitigung. Mit der Planung der Fertighäuser war die GbR nicht befasst. Das FA stellte für die GbR einheitlich und gesondert Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Die GbR machte geltend, ihre Gesellschafter übten eine architekten- und ingenieurähnliche Tätigkeit aus. Das FG wies die Klage ab. Die Gesellschafter seien keine Architekten und hätten auch keine architektenähnliche Tätigkeit ausgeübt.
Entscheidung
Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf, weil das FG nicht geprüft hat, ob die Gesellschafter der GbR als Ingenieure freiberuflich tätig waren oder eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt haben. Wenn die Gesellschafter nach dem jeweils einschlägigen Landesgesetz berechtigt wären, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, seien sie auch als selbstständige Ingenieure tätig gewesen, weil die Bauleitertätigkeit zu einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens gehöre. Sollten die Gesellschafter den Titel "Ingenieur" nicht führen dürfen, entspricht aber das in der DDR absolvierte Studium dem des Wirtschaftsingenieurs, wäre die Tätigkeit zumindest als ingenieurähnlich einzustufen. Denn das Studium zum Wirtschaftsingenieur umfasst sowohl das der Betriebswirtschaftlehre als auch das des Ingenieurwesens. Da die bisher festgestellten Tatsachen nicht ausreichen, um eine endgültige Entscheidung zu treffen, verwies der BFH die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Wer ein sog. interdisziplinäres Studium absolviert hat, also zum Beispiel das zum Wirtschaftsingenieur, wird steuerlich so behandelt als hätte er sowohl Betriebswirtschaft als auch Ingenieurwesen studiert. Der Studienabsolvent kann deshalb später entweder als Betriebswirt oder als Ingenieur freiberuflich tätig sein. Allerdings ist eine dem absolvierten Studium fremde Tätigkeit nicht allein aufgrund des Studienabschlusses freiberuflich. Voraussetzung ist, dass sich die ausgeübte Tätigkeit auf ein Hauptgebiet einer der beiden Studienrichtungen erstreckt. Dementsprechend hat der BFH bereits die Tätigkeit eines Wirtschaftsingenieurs, der auf einem Hauptgebiet der Betriebswirtschaft Beratungsleistungen erbracht hatte, als freiberuflich (dem beratenden Betriebswirt ähnlich) eingestuft (BFH, Urteil v. 28.8.2003, IV R 21/02, BFH/NV 2003 S. 1652). Im Besprechungsfall wären die Gesellschafter als Wirtschaftsingenieure Freiberufler, weil sie in einem Hauptbereich des Ingenieurwesens tätig waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.09.2006, XI R 3/06